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Allein auf Wolke Sieben

Allein auf Wolke Sieben

Titel: Allein auf Wolke Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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ist. Schon wieder scheint es jemand gut mit mir zu meinen. Wie konnte ich nur so blöd sein, die Kette meiner Oma zu vergessen? Vor meinem inneren Auge erscheint ihr gutmütiges, faltiges Gesicht, dem man ansah, dass sie in ihrem Leben sehr viel mehr gelacht als geweint hat. Sie war
siebenundachtzig Jahre alt, als sie vor vier Jahren starb. Das war kurz nachdem ich Michael kennen gelernt hatte. Nachdem ich ihn ihr vorgestellt hatte, nahm sie mich beiseite und gab mir die Kette, ein eng anliegendes Kollier aus unterschiedlich großen Perlen mit einem Saphir-Anhänger.
    »Diese Kette hat schon meine Urgroßmutter an ihrer Hochzeit getragen. Sie wird von Generation zu Generation weiter vererbt und ich möchte, dass du sie trägst, wenn du diesen Mann da draußen heiratest, damit eure Ehe so glücklich wird wie meine.« Bei der Erinnerung daran kommen mir erneut die Tränen. Meine Oma wusste schon damals, dass Michael der Richtige für mich ist. Nervös sehe ich auf die Uhr. Fünfzehn Uhr zwanzig. Als ich wieder hochschaue, sehe ich den dunkelblauen Jeep direkt auf mich zukommen. Plötzlich geht alles ganz schnell. Ich reiße das Steuer herum, will bremsen, rutsche mit meiner glatten Sohle vom Pedal ab und spüre einen scharfen Schmerz in meinem Fuß. Ein Knacken hallt in meinen Ohren wider und ich kann nicht zuordnen, ob es mein Fuß oder der Absatz meines Brautschuhs ist, der gebrochen ist. Noch während ich mich frage, was schlimmer wäre, höre ich es krachen.

SECHS JAHRE SPÄTER:
    »Finden Sie nun immer noch, dass das Leben, oder vielmehr der Tod, ungerecht zu Ihnen ist?«, beende ich meine Geschichte. »Nach neunzig erfüllten Jahren mit, wenn ich das richtig sehe«, ich lasse meinen Blick durch
das vollgestopfte Krankenzimmer schweifen, »drei Kindern und sieben Enkeln?« Herausfordernd sehe ich auf den weißhaarigen Mann nieder, der umringt von seinen Angehörigen im Bett liegt und sich seit vierzehn Stunden beharrlich weigert, seinen letzten Atemzug zu tun. Vierzehn Stunden stehe ich hier schon herum, rede mir den Mund fusselig, dass er endlich loslassen und mit mir kommen soll. Bisher ohne Erfolg. Ich bin erschöpft. So müde, dass ich Wilhelm Küster, so heißt er, schließlich sogar von mir selbst erzählt habe. Von meinem eigenen Tod. Das war vielleicht nicht unbedingt sehr professionell von mir, aber langsam bin ich einfach mit meinem Latein am Ende. Nach einem langen, anstrengenden Tag in diesem stickigen Krankenhaus sehne ich mich danach, endlich wieder in den Himmel zurückzukehren. Und das, obwohl ich immer noch nicht gerade ein Fan meiner neuen Bleibe bin, die ich seit sechs Jahren bewohne. Dennoch, irgendetwas muss sich doch jetzt einmal bewegen. Wie lange soll ich denn noch hier herumstehen? »Also, was ist?«, wende ich mich Wilhelm zu und meine Stimme klingt geradezu flehentlich. Seine ausgemergelte Gestalt ist unter der Decke kaum auszumachen, die Lungen rasseln bei jedem Atemzug, aber in den steingrauen Augen, mit denen er mich mustert, glimmt noch immer der Lebenswille. »Nun?«, hake ich nach und er stößt ein heiseres Lachen aus.
    »Dafür, dass sie ein Produkt meiner Phantasie sind, war das eine wirklich rührende Geschichte«, sagt er stumm, so dass nur ich ihn hören kann. Fängt das schon wieder an? Ich dachte, das hätten wir schon vor Stunden geklärt.
    »Ich bin hier, um Sie abzuholen«, wiederhole ich und
komme mir langsam vor wie eine Schallplatte, die einen Sprung hat. »Ich bin …«
    »Ein Todesengel, ja doch, sicher!« Wer hätte gedacht, dass ein Mensch, der kaum genug Kraft für seinen nächsten Atemzug hat, noch zu solch beißendem Spott fähig ist?
    »Nun, ich bevorzuge den Ausdruck Helfer, aber wie Sie mich nennen, ist natürlich allein Ihre Sache«, entgegne ich frostig.
    »Ich glaube Ihnen kein Wort. Das bilde ich mir doch bloß alles ein, weil ich hoffe, meine Annie wiederzusehen.« Plötzlich sieht er sehr unglücklich aus und mein Ärger schwindet.
    »Sie haben Verwandtschaft oben«, frage ich mitfühlend.
    »Meine Frau«, nickt er schwach und murmelt mit flatternden Lidern: »Na gut, ich komme mit. Aber wehe, Sie sind gleich nicht mehr da.« Er wirft mir einen letzten grimmigen Blick zu und schließt die Augen. Ich kann einen Seufzer der Erleichterung nicht unterdrücken, während ich beobachte, wie Wilhelm Küster seinen letzten Atemzug tut. Plötzlich wird es still im Raum. Man könnte eine Stecknadel fallen hören. Alle starren mit weit aufgerissenen Augen auf den

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