Allein gegen die Zeit
Augenbrauen hoch. „Was ist denn mit dem los?“ Özzi und Sophie tauschten verwunderte Blicke aus, während Leo schuldbewusst den Kopf senkte.
Im Wald war es merklich kühler. Ben spürte eine Gänsehaut, doch es war ihm egal. Er war einfach nur enttäuscht. Von Leo, die ihm nicht früher gesagt hatte, dass sie sich für diesen blöden Taekwondo-Kurs beworben hatte. Von Jonas, der sich mal wieder auf seine Kosten lustig machen musste, und von Özzi und Sophie, die auch nichts Besseres zu tun hatten, als ihn auszulachen. Eigentlich überhaupt von diesem ganzen bescheuerten Tag, den er sich ganz anders vorgestellt hatte.
Er musste an seinen Vater denken, der seine Vorlesung an der Uni halten musste und deswegen nicht bei ihm sein konnte. Ausgerechnet heute waren sie voneinander getrennt. An dem Tag, an dem Ben seinen Vater am dringendsten gebraucht hätte.
Er schaute um sich. Das Licht brach sich in langen Strahlen durch das Blätterdach und ließ die kahlen Baumstämme fahl und unheimlich erscheinen. Die Äste ächzten leise im Wind. Dieser Wald hatte etwas Düsteres, Bedrohliches an sich. Vielleicht sollte er doch wieder zurück zu den anderen gehen. Doch welchen Weg musste er gehen? Alles sah irgendwie gleich aus.
Zögerlich lief er in die Richtung, in der er seine Freunde vermutete. Plötzlich packte ihn etwas am Bein. Ben fuhr ein Schreck in die Glieder.
Da lag ein Mann auf dem Boden. Er war kreidebleich und hatte ungesund rötliche Flecken im Gesicht, die Stirn glänzte vor Schweiß. Sein Blick war schmerzverzerrt. Erschrocken wich Ben zurück.
„Du darfst nicht weitergehen“, stieß der Mann mühsam hervor. Seine trüben Augen flackerten. Sie schienen Ben anzuflehen. Entsetzt starrte Ben den Fremden an.
Plötzlich war in unmittelbarer Nähe das Aufheulen von Motoren zu hören. Der Blick des Mannes weitete sich angstvoll. „Sie kommen! Oh Gott, sie kommen!“
„Was meinen Sie?“, rief Ben.
„Los, lauf! Schnell!“, schrie der Mann verzweifelt und stieß Ben von sich.
Ben wurde fast übel. Er rannte stolpernd los, irgendwohin, weg von den Motoren, weg von dem unheimlichen Mann. Krachend brach er durch das Unterholz. Zweige peitschten ihm ins Gesicht. Das Motorengeräusch kam immer näher. Panisch drehte er sich um. Zwei Männer in schwarzer Motorradkluft schossen auf zwei Quads pfeilschnell durch das Gelände, direkt auf ihn zu. Gleich würden sie ihn eingeholt haben. Ben hastete weiter, so schnell er konnte.
Plötzlich wurde er nach oben gerissen. Einer der Fahrer hievte ihn auf das Quad. Ben schrie auf und versuchte sich wild strampelnd zu befreien, doch er hatte keine Chance. Der Mann war unfassbar stark und hielt Ben einfach fest, wie sehr er auch zappelte und sich wand. Das Gesicht seines Entführers war durch das getönte Visier des Motorradhelms nicht zu erkennen. Mit brüllenden Motoren brausten die Quads durch das Dickicht davon.
Leo zuckte zusammen. Woher kam dieser Schrei? Erschrocken sah sie in Richtung Wald. Ihr Herz raste. „Das war Ben!“ Ohne zu zögern, stürmte Leo los, Jonas, Özzi und Sophie hinter ihr her.
In wilder Hast rannten sie durch den Wald, drangen immer tiefer in das Gelände ein. Ständig nach Ben rufend, sprangen sie über umgestürzte Baumstämme und stolperten über herabgefallene Äste. Leo ließ ihren Blick panisch in alle Richtungen schweifen, fast verrückt vor Sorge. Jonas, Özzi und Sophie riefen Bens Namen, wieder und wieder. Doch keine Antwort.
„Schaut mal!“ Özzi winkte die anderen herbei und zeigte auf ein umgestürztes Schild, das unter Laub verborgen auf dem Boden lag.
„Sperrgebiet. Betreten strengstens verboten“, las Sophie.
„Wo sind wir hier?“, fragte Özzi angespannt.
„Los, weiter! Wir müssen Ben finden!“, drängte Leo und wollte wieder weiterspurten. „Vielleicht ist er wieder zurückgegangen!“, gab Sophie zu bedenken. Özzi drehte sich ratlos um die eigene Achse. „Und wo war Zurück noch mal?“ Plötzlich schrie er auf. Alle blieben wie erstarrt stehen. Vor ihnen tauchte ein Mann auf. Er sah schlimm aus, sein Gesicht war leichenblass und fleckig, aus seiner Nase rann Blut. Er zitterte am ganzen Körper und konnte sich kaum auf den Beinen halten. Irgendetwas schien er sagen zu wollen, doch er brachte kein Wort heraus und starrte sie nur an.
„Was ist mit Ihnen?“, rief Leo erschrocken und ging langsam auf ihn zu.
„Kommt nicht näher!“, schrie der Mann heiser.
Leo blieb stehen. „Können Sie uns vielleicht
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