Allein gegen die Zeit
riesigen Tieres. Özzi blickte hektisch um sich, er schien eingeschüchtert. „Krass. Das klingt wie ’ne Alien-Invasion, Abi!“
„Du guckst echt zu viele Filme, Alter“, murmelte Jonas, dem sich aber die Nackenhaare genauso sträubten.
Leo war auch nicht wohl, doch hatte sie inzwischen einen Entschluss gefasst. „Wir sollten dem Typ mit dem Schutzanzug hinterher. Vielleicht führt er uns zu Ben“, schlug sie flüsternd vor. Die vier folgten dem Mann im weißen Schutzanzug.
Ben hatte keine Ahnung, wohin der Gang ihn führte. Er war schon mehrfach abgebogen und immer nur in einen neuen Gang geraten. Es war das reinste Labyrinth hier. Dazu kam, dass er kaum die Hand vor Augen sehen konnte und sich an den Wänden entlangtasten musste.
Auf einmal hörte er Schritte und erstarrte. Im letzten Moment entdeckte er eine Tür und schlüpfte dahinter in einen kleinen Raum. Durch den Türspalt konnte er zwei Wachmänner hastig den Gang entlanglaufen sehen. Offensichtlich waren sie bereits auf der Suche nach ihm. Vorsichtig zog Ben die Tür zu. Besser warten, bis die Luft rein war.
Vielleicht würde er in diesem Raum irgendetwas Brauchbares finden. Eine Taschenlampe, eine Karte, irgendwas. Stattdessen entdeckte er auf einem Tisch Unterlagen und Fotos. Hektisch durchsuchte er die Papiere. Auf einmal blieb ihm die Luft weg. Er hielt ein Foto in den Händen und konnte kaum glauben, was er da sah.
Das Foto konnte nicht älter als drei Wochen sein. Es war vor seinem Haus geschossen worden. Darauf abgebildet waren er selbst und sein Vater.
Ben spürte, wie sein Herz heftig zu klopfen begann. Er entdeckte weitere Fotos. Sie alle hatten dasselbe Motiv. Er und sein Vater. An den verschiedensten Orten. Im Stadtpark, in der Pizzeria um die Ecke, vor der Schule, sogar zu Hause! Diese Leute hier hatten ihn und seinen Vater beobachtet. Und das schon seit Monaten!
Wie getrieben wühlte er in den Unterlagen herum, um irgendeinen Hinweis zu finden, als sein Blick auf ein Bild fiel, das ihm sofort einen bitteren Stich ins Herz versetzte.
Die lächelnde Frau auf dem Foto war seine Mutter. Wie gebannt starrte Ben auf ihre Gesichtszüge, ihre langen braunen Haare, ihre warmherzigen Augen. Ben hatte das Gefühl, in ein tiefes Loch zu fallen.
Auf einmal schreckte er hoch. Schritte!
Panisch hechtete Ben unter den Tisch. Die Tür der Kammer wurde aufgerissen. Zwei Beine in grauen Militärhosen und schwarzen Stiefeln stapften auf den Tisch zu. Ben hielt die Luft an.
Leo, Jonas, Özzi und Sophie hatten den Kerl im weißen Schutzanzug bis zu einer großen Halle verfolgt, in die er verschwunden war. Einem Impuls folgend wollte Leo aus der Deckung und gleich hinterher, doch Jonas hielt sie zurück. „Das würde ich nicht tun“, flüsterte er und zog sie wieder in die Hocke.
Im selben Moment öffnete sich das Hallentor. Zwei Männer in Soldatenmontur traten vor das Tor. Sie schleppten mehrere Gepäckstücke mit sich und warfen alles auf einen großen Haufen.
„Das sind ja unsere Sachen!“ Sophie unterdrückte einen Schrei.
Leo starrte angestrengt auf den Berg von Sachen. Es bestand kein Zweifel, obenauf lag ganz klar ihr eigener blauer Rucksack.
Die vier beobachten mit weit aufgerissenen Augen, wie die Militärtypen alles mit Benzin übergossen und den ganzen Haufen in Brand setzten.
„Sind die bescheuert? Was machen die denn da?“, regte sich Özzi auf. „Da ist mein Laptop drin!“
„Und meine Bücher …“, jammerte Sophie.
Jonas blickte finster auf. „Die wollen alle Beweise vernichten.“
„Damit niemand weiß, dass wir hier waren“, folgerte Leo erschüttert.
Nach einer Weile prüften die beiden Uniformierten, ob alles in Flammen aufgegangen war. Dann schulterten sie ihre großen Waffen und marschierten an dem Feuer vorbei ins Gelände hinein.
Fassungslos schauten Özzi und Sophie den Männern hinterher. Jonas knackte nervös mit den Fingern. Leo fühlte sich wie gelähmt. Doch sie musste sich zusammenreißen.
„Leute, wir können es nicht mehr ändern!“, rief sie entschlossen. „Wir müssen weiter, Ben finden.“
„Leo hat Recht!“, stimmte Jonas ihr zu.
Leo wagte sich als Erste aus der Deckung heraus. Die anderen folgten ihr mit etwas Abstand. Sie liefen an dem lodernden Scheiterhaufen ihrer Habseligkeiten vorbei. Es war nichts mehr zu retten. Sophie sah eines ihrer Bücher, das aus der Tasche herausgefallen war, zu Staub zerfallen. Özzis Blick war wie gebannt auf seinen langsam dahinschmelzenden
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