Tödliche Jagd
Das Buch
Ellis Jackson kehrt nach einer höllischen Gefangenschaft aus
einem vietnamesischen Gefangenenlager in die Heimat zurück,
körperlich und seelisch zerbrochen. Schreckliche Alpträume
treiben ihn an den Rand des Wahnsinns, so daß er oft Traum und
Wirklichkeit nicht zu unterscheiden vermag. Seine asiatischen Feinde
verfolgen ihn erbarmungslos weiter, und er wird durch deren teuflische
Manipulationen des Mordes an seiner Geliebten und seinem besten Freund
beschuldigt und in eine streng isolierte Nervenheilanstalt gebracht.
Nach abenteuerlicher Flucht ist es sein einziges Ziel, die geheime
Macht, die ihn zu zerstören droht, ausfindig zu machen und zu
vernichten. Bei diesem Versuch wird er im allerletzten Moment aus
höchster Lebensgefahr errettet. Wird er aber Frieden finden?
Der Autor
Jack Higgins (eigentlich Harry Patterson) wurde 1928 in Irland
geboren. Er versuchte sich in mehreren Berufen: als Zirkushelfer, als
Versicherungsvertreter und bei der Royal Horse Guard. Später
studierte er Soziologie und Sozialpsychologie an der Universität
London. Heute lebt er mit seiner Familie auf der Insel Jersey. Sein
Roman »Der Adler ist gelandet« brachte ihm Weltruhm und
wurde auch verfilmt.
Jack Higgins
Tödliche
Jagd
Roman
GOLDMANN VERLAG
Prolog:
Sturmwarnung
Nebenan wurde der Koreaner zu Tode geprügelt, nachdem alle
Versuche, seinen Widerstand zu brechen, vergeblich gewesen waren. Er
hatte sich stur wie ein Panzer gezeigt, erkennen lassen, daß er,
wie die Mehrzahl seiner Landsleute, für die Chinesen nur
Verachtung übrig hatte, und diese reagierten dementsprechend
darauf. Darüber hinaus wirkte sich die Tatsache, daß die in
Vietnam kämpfenden südkoreanischen Truppen sich zu der Zeit
damit rühmen konnten, dem Gegner die meisten Verluste
zuzufügen, nicht gerade günstig für ihn aus.
Draußen waren Schritte zu hören, die
Tür ging auf, und ein junger chinesischer Offizier trat ein. Er
schnippte nur mit den Fingern, und ich gehorchte wie ein braver Hund,
stand auf und ging bei Fuß. Zwei Wachtposten schleiften den toten
Koreaner an den Füßen hinaus; sie hatten ihm eine Decke um
den Kopf gewickelt, um keine Blutspuren auf dem Boden zu hinterlassen.
Der Offizier schien mich überhaupt nicht zu beachten, blieb
stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden, ging dann weiter den
Flur entlang, und ich trottete gehorsam hinterher.
Wir kamen am Vernehmungszimmer vorbei
– worüber ich nicht unfroh war – und erreichten
schließlich das Zimmer des Lagerkommandanten am Ende des Flures.
Der junge Offizier klopfte an, öffnete, stieß mich hinein
und schloß die Tür hinter mir.
Oberst Chen-Kuen saß an seinem Schreibtisch und
schrieb eifrig. Er tat geraume Zeit so, als würde er mich nicht
bemerken, legte dann aber doch den Kugelschreiber weg, erhob sich, ging
zum Fenster und blickte hinaus.
»Die Regenzeit beginnt spät dieses Jahr.«
Auf diesen weisen Ausspruch konnte ich nichts
erwidern; ich wußte nicht einmal, ob er überhaupt eine
Antwort erwartete. Das Problem löste sich von selbst, denn er
ließ mir keine Zeit, in leichte Konversation einzutreten; ohne
sich zu mir umzudrehen, fuhr er fort: »Ich fürchte, ich habe
schlechte Nachrichten für Sie, Ellis. Ich habe nun endlich
Anweisungen vom Zentralkomitee in Hanoi erhalten: Sie und General St.
Claire sollen heute morgen exekutiert werden.«
Er wandte sich mit ernstem, besorgtem Gesicht zu mir
um und redete weiter, aber ich registrierte nicht, was er sagte, ob er
etwa seinem persönlichen Bedauern Ausdruck verlieh, denn ich war
plötzlich wie taub: Ich nahm wahr, daß seine Lippen Worte
formten, hörte sie jedoch nicht.
Er verließ den Raum, und ich sah ihn danach nie
wieder. Als die Tür später wieder aufging, dachte ich, es
seien die Wachtposten, die mich abholen wollten, aber sie waren es
nicht. Es war Madame Ny.
Ihre Uniform sah überhaupt nicht nach
chinesischer Volksarmee aus, sondern war ganz eindeutig von jemandem
geschneidert worden, der sein Handwerk verstand. Sie hatte
Lederstiefel, einen Khakirock und eine Jacke an, deren Schnitt ihre
schönen Brüste voll zur Geltung brachte. In ihren dunklen
Augen standen Tränen, ihre Miene verriet Bestürzung.
»Es tut mir leid, Ellis«, hauchte sie.
Es mag komisch klingen, aber ich glaubte
ihr fast. Aber eben nur fast. Ich ging auf sie zu, nahe genug, um
sicher zu sein, daß ich traf, spuckte ihr mitten ins Gesicht,
öffnete die Tür und ging
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