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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Paulsen
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Messer, Gabel und Löffel. Eine wasserdichte Dose mit Zündhölzern und zwei Gasfeuerzeuge. Ein Fahrtenmesser mit einem Kompass im Griff. Als ob ein Kompass mir helfen könnte!, grinste Brian verächtlich. Auch ein Verbandskästchen war dabei, mit Binden und Tuben voll antiseptischer Salbe und einer kleinen Schere. Und dann fand er eine Mütze, über deren Schirm in großen Buchstaben geschrie ben stand: CESSNA . Wozu eine Mütze?, fragte er sich. Brian setzte sie auf und sie passte wie angegossen. Eine Angel ausrüstung kam zum Vorschein, mit vier Spulen Schnur und einer Schachtel voll künstlicher Köder, Haken und Schwimmer.
    Unglaubliche Schätze! Brian fühlte sich reich, unermesslich reich. Es war wie ein riesiger Gabentisch zum Geburtstag. Er saß in der Sonne vor seiner Hütte, wo er halb sitzend in schwerem Schlaf die Nacht verbracht hatte, und breitete die Geschenke vor sich aus. Nacheinander nahm er sie in die Hand, untersuchte sie mit ungläubigem Staunen, befühlte sie mit den Händen und streichelte sie mit den Augen.
    Halt! Was war das? Brian zog etwas aus dem Sack, das wie ein abgebrochener kurzer Gewehrkolben aussah. Ratlos hob er das Ding in die Höhe, schaute es an und schüttelte es. Ja, da klapperte doch irgendetwas. Das Ding war anscheinend hohl und Brian entdeckte, dass sich das Ende des Kolbens wie ein Deckel aufklappen ließ. Heraus fielen ein Gewehrlauf zum Anschrauben, ein leeres Patronenmagazin, auch ein Gewehrschloss und eine Schachtel mit fünfzig Schuss Munition. Es war eine zerlegbare 22er Jagdflinte, wie er sie einmal im Sportgeschäft gesehen hatte, wo er Ersatzteile für sein Fahrrad gekauft hatte.
    Brian erschrak. Er hatte noch nie ein Gewehr besessen und auch noch nie einen Schuss abgefeuert. Den Umgang mit solchen Waffen hatte er natürlich im Fernsehen beobachten können. Neugierig fing Brian an zu basteln und nach einigen Minuten hatte er den Lauf, das Schloss und den Kolben mit gut eingefetteten Gewinden zusammengeschraubt. Es klickte metallisch, als er die Patronen ins Magazin schob.
    Ein sonderbares Gefühl war es, ein Gewehr in der Hand zu haben. Irgendwie trennte es Brian von dieser einfachen Welt, die ihn umgab. Bislang hatte er sich eins mit allen Dingen gefühlt, er hatte sich einfügen und an die Bedingungen seiner Umwelt anpassen müssen. Sein Überleben hing davon ab, dass er die Wildnis verstand und studierte. Es war kein Tag vergangen, ohne dass er lernen musste die Gesetze der Natur zu befolgen.
    Jetzt aber, mit einem Gewehr, war er Herr über Leben und Tod. Er konnte auf die Jagd gehen und Beute machen, wie es ihm gefiel. Es war nicht mehr nötig, die Lebensbedingungen der Wildnis zu verstehen. Wie ein Freizeitjäger brauchte er nur noch zu zielen und abzudrücken.
    Dieses Gewehr veränderte Brian, kaum hatte er es in die Hand genommen. Und es war eine Veränderung, die ihm nicht gefiel. Mit einem enttäuschten Seufzer lehnte er die Waffe an die Hüttenwand. Über das sonderbare Gefühl, das ihn beschlichen hatte, konnte er sich später Klarheit verschaffen …
    Über Nacht war das Feuer ausgegangen. Mit einem Gasfeuerzeug war das kein Problem. Schnell sammelte Brian Birkenrinde, warf ein paar dürre Zweige dazu – und in Sekundenschnelle brannte ein neues Feuer. Er konnte nur staunen, wie leicht es ging. Aber schon meldete sich wieder dieses Gefühl der Enttäuschung. War es nicht so, dass auch das Feuerzeug ihn von allem entfernte, was er bisher in der Wildnis gelernt hatte? Wehmütig dachte Brian zurück an die Freude, als er zum ersten Mal Funken aus dem Feuerstein geschlagen, sie in einem Bett aus Rindenfasern aufgefangen und sorgfältig genährt hatte … Wie das Gewehr, so würde auch das Feuerzeug sein Leben verändern. Und er wusste nicht, ob diese Veränderung ihm gefiel.
    Sonderbar!, dachte Brian kopfschüttelnd. Die wunderbaren Geschenke aus dem Überlebenspaket machten ihn nicht glücklich. Offenbar hatte er nicht nur etwas gefunden – er hatte auch etwas verloren. Seine Gefühle schwankten auf und ab.
    Das Feuer loderte wieder und schwarzer Rauch kräuselte sich durch die Ritzen unter dem Dach. Mit leisem Zischen verbrannte das Harz einer klobigen Wurzel, die Brian in die Flammen geworfen hatte. Um eine unerklärliche Traurigkeit zu verscheuchen, begann er wieder neugierig in dem Sack zu stöbern. Die Lebensmittelrationen, lauter köstliche Gaben, hatte er einstweilen neben sich ins Gras gelegt. Ihre Besichtigung wollte er bis zuletzt aufsparen

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