Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
wirklich zu ihr gesagt habe.Aber wen juckt’s? Ich bin reich, und was ich sage, ist sakrosankt.
Das Essen hier, erklärt der Gastrokritiker Ihres Vertrauens, ist jeden Penny wert, wenn Sie es sich leisten können. Ihr Körper wird es Ihnen danken.
Johannes sagt mir, daß ich den Rolls-Royce nutzen kann, wann immer ich mag.
Ja, ich wußte es die ganze Zeit: Ich bin dafür gemacht, reich zu sein.
Wer hätte gedacht, daß ich dieses Land in einem Rolls-Royce verlasse?! Es macht Spaß, ein Kapitalist wider Willen zu sein. Ich konvertiere. Und gehe als neuer Mensch schlafen. Danke, Deutschland. Endlich habe ich meine Bestimmung gefunden. Ich habe meinen Glauben gefunden. Einen neuen Glauben. Etwas, für das zu sterben sich lohnt. Nacht allerseits. Mein Rolls-Royce wird morgen auf mich warten. Das Leben ist schön.
Am nächsten Morgen erwache ich mit Blick auf den grandiosen Sylter Himmel und stehe vor einer schwierigen Entscheidung: Soll ich Johannes anrufen und mir meinen Rolls-Royce hole oder aber meinen Rolls-Royce vergessen und lieber an den Nacktbadestrand gehen? Ja, ich habe gehört, daß es hier eine Nudistenkolonie gibt, und das, wo ich doch von Kindesbeinen an – ich weiß auch nicht wieso – nackte Menschen liebe.
Wer die Wahl hat, hat die Qual. Zum ersten Mal in diesem seinem Leben als Gläubiger hat dieser neue Mensch mit der neuen Religion eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen: auf seinen Rolls-Royce verzichten, um sündig an den Nacktbadestrand zu gehen, oder Gutes tun und zu dem großen Auto rennen?
Der Teufel reitet mich, wie sonst auch, und ich begehe meine Ursünde: Ich entscheide mich für die Nackten.
Wenigstens erreiche ich so das dritte Element meiner persönlichen Dreifaltigkeit: Sex.
Ja, ich weiß, es ist politisch nicht korrekt, das zu sagen, aber ich liebe den Anblick junger Frauen in ihrer natürlichen Gestalt. Liebe das Gefühl. Liebe die Spiritualität des Ganzen. Zum Schrein der Nacktheit also lustwandle ich.
Ja, meine Ursünde. Ich fühle mich wie Adam. Und hoffe, daß keine Schlange meinen Weg kreuzt.
Doch wie in allen Religionen zahlt sich die Sünde auch in dieser nicht aus.
Ich bin am Nacktbadestrand von Sylt.
Die meisten Nackten hier sind alte Männer und Babys.
Die jungen Schnuckelchen, wie wir sie in der chauvinistischen männlichen Welt nennen, bedecken ihre Schätze.
Warum macht es diese alten Männer so glücklich, nackt herumzulaufen?
Hier kommt eine schöne Lady vorbei. Sie ist fast komplett angezogen.
O Satan! Eines Tages kriege ich dich und dann wehe dir! Ja, am Tag des Jüngsten Gerichts schließe ich mich den Kindern Abrahams an, und dann wird dich mein Schwert kitzeln!
Versprochen!
Es hätte heute ein so schöner Tag werden können. Ah, ich und mein Rolls-Royce in der Gemeinde Sylt! Die schönen dünnen Damen wären mir bestimmt nachgerannt, um ihren Luxuskörper meinem Royce anzuvertrauen. Warum habe ich daran nicht gedacht! Ich hätte eine Nudistenkolonie in meinem Royce haben können.
Aber nein, ich mußte den Einflüsterungen des Teufels nachgeben. Ich Narr!
Statt Royce und die Schnuckelchen zu genießen, stehe ich hier wie ein Bettler und starre die Falten alter Männer an.
Ich muß um Vergebung bitten. Kennt meine neue Religion die Erlösung? Kann ein Mann Buße tun, auf daß ihm vergeben werde?
Mein neuer Gott, der Allmächtige Euro, gibt mir noch eine Chance. Gehe ins Sansibar! höre ich die Stimme des Allmächtigen Herrn Euro deutlich sagen, und guck nach, ob die einen Rolls-Royce für dich haben.
Als bereuender Euroist mache ich mich sofort auf den Weg.
Wer mit dem Auto zur Sansibar fährt, lasse sich gesagt sein: Es gibt keine freien Parkplätze. Alles ist besetzt. Teure Autos mit verbittert aussehenden Reichen warten in langen Schlangen. Ich schaue mich genau um, aber kein Rolls-Royce ist für mich in Sicht. Mein Allmächtiger Herr Euro hat nur mit mir gespielt. So, wie auch der Herr Israels gerne mit seinem auserwählten Volk spielt.
Dann laßt mich wenigstens gut essen. Ich setze mich und studiere die Karte. Als erstes die Weinkarte, ein ellenlanges Werk.
Hier springt mir ein Wein ins Auge: »2001er Château Cheval Blanc, 1er Grand Cru Classé A, Imperial 6,0 l.« Kostenpunkt: 6500 Euro. Eine Sechsliterflasche ist vielleicht ein bißchen viel auf einmal? Es gibt auch Normalgrößen: Romanée Conti, Année 2006, für nur 4000 Euro.
Herbert Seckler, Mr. Sansibar, kommt vorbei, um hallo zu sagen. Ich möchte von ihm wissen,
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