Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Holocaust wachzuhalten? Nein.«
Ahmadinedschad liebt die Juden. Vielleicht ist er sogar selbst einer.
»Warum«, fragt der angehende Doktor, »schickt jedes Land eine Hilfsflotte nach Gaza, nur der Iran nicht?« Der Mann hat bewiesen, daß er recht hat. Das Leben ist so einfach, nur ich hab’s mal wieder nicht gewußt.
Nicht so einfach ist die Geschichte von Ulrich, der in Hamburg koscheren Wein verkauft. Jemanden wie ihn findet mandort nicht alle Tage, einen Juden mit einer großen Kippa. Möchten Sie etwas trinken? fragt er mich.
Ich setze mich zu Ulrich und höre ihm zu. Deutschland ist gut, sagt er. Er war noch nie mit irgendeiner Form von Antisemitismus in diesem Land konfrontiert. Es ist ein gutes Land für die Juden, wirklich gut. Kommt er aus Hamburg? Ja, hier geboren. Seine Eltern auch? Ja, die auch. Er ist nebenbei Zahnarzt, erzählt er mir. Wie sein Vater. Nicht nur das: Sein Vater war darüber hinaus ein Insektenspezialist. Er sammelte Käfer und wußte alles über sie. Selbst während des Kriegs. Das Leben in Hamburg ist gut. So gut, daß sein Papa sogar den Krieg überlebt hat.
Wie hat er das angestellt?
»Sie vergaßen, ihn abzuholen.«
Vergaßen es?
»Ja.«
Wie das?
Es ist eine komplexe und komplizierte Geschichte. Ulrich ist nämlich ein Konvertit. Er war ein Deutscher und ist jetzt ein Jude. Seine Mutter war nicht jüdisch, sein Papa schon. Papa schrieb sogar ein Tagebuch während des Kriegs, in dem er aufzeichnete, was geschah. Und was geschah? Er sammelte Käfer. Papa »schrieb über Insekten«, aber nie über diesen ganzen anderen Kram. Das nicht. Das Leben ist gut. Hamburg ist gut für die Juden. Mama jedoch, die keine Jüdin war, »verlor nach dem Krieg den Verstand«. Sie wurde verrückt.
Warum?
Sie wurde vom Regime »schlechter behandelt als eine Hure«.
Ich verstehe Ulrich. Nicht, weil das, was er sagt, einen Sinn ergibt. Das tut es nicht. Aber es fällt mir kaum auf: Irgendwann im Lauf meiner Reise hat die Kategorie Sinn ihren Sinnverloren. Die Vorstellung, daß Deutschland nicht gut für die Nichtjuden, aber gut für die Juden ist, scheint mir in diesem Stadium plausibel.
Insekten. Er schrieb über Insekten.
Und dann sagt Ulrich: »Ich habe sie gefragt. Sie sagten mir, daß sie es wußten. Sie sagten mir, daß alle alles wußten. Daß die Juden getötet wurden. Jeder wußte es.«
Ein Insekt zu verstehen, ist nicht immer leicht. Menschen zu verstehen, ist praktisch unmöglich. Ich zünde mir eine Zigarette an und starre dem Rauch nach. Meiner eigenen kleinen Aschewolke.
Mit einer Aschewolke bin ich hergekommen. Mit einer Aschewolke beende ich meine Reise.
Auftrag erledigt. Reise zu Ende.
Jetzt, wo das Buch geschrieben ist, brauche ich Urlaub.
In der Nähe einer Grenze, nur für den Fall.
Kapitel 25 In dem es uns nach Sylt verschlägt, wo die reichen Deutschen Gold essen
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Nach Sylt, nahe der dänischen Grenze, zieht es mich.
Doch bin ich jetzt im Urlaub. Ich interviewe niemanden mehr. Wer immer etwas über Nazis, Juden, Araber oder sonstwen zu sagen hat, möge es für sich behalten. Ich bin nicht interessiert. Ich habe meinen Teil getan. Sorry. Sollte jemand Streit suchen, nur zur Erinnerung: ohne mich. Die einzigen Themen, die zu erörtern ich bereit bin, heißen: Geld, Essen, Sex. Sonst nichts. Ich bin im Urlaub.
Als erstes besuche ich Kampen, eine kleine Gemeinde auf Sylt, in der namhafte Designerläden und gutbetuchte Kunden zueinanderfinden.
Damit trage ich, wie ich hoffe, dem Geldaspekt meiner persönlichen Dreifaltigkeit Rechnung.
Es ist früher Nachmittag in Kampen. Gemütliche Cafés, in denen Menschen sitzen und Mineralwasser trinken, nicht Bier. Wer prassen will, gönnt sich dazu noch ein Fruchtsäftchen. Man muß auf sein Gewicht achten. Die meisten Damen haben mehr oder weniger die gleiche Brustgröße. Es ist Sommer, Urlaubszeit, Zeit für einfache Kleidung wie T-Shirts. Nur daß die T-Shirts, die ich hier sehe, nicht aus Ein-Euro-Läden stammen. Sie sind teuer. Ich gehe in einen kleinen Laden und probiere einen Pullover an. Kostet nur schlappe 1195 Euro. Leider zu eng. Die Verkäuferin sagt, ich müsse etwas abnehmen. Recht hat sie. Ich bin der dickste Mann auf Sylt.
In der Tourismusinformation begrüßen mich zwei blonde Models. Jeder in Kampen ist ein
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