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Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuvia Tenenbom
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einen geschäftigen Eindruck erwecken. Ihre Hauptbeschäftigung ist Bier trinken und rauchen. Also besorge ich mir ein Bier, stecke mir eine an, werde wie sie und suche das Gespräch mit ihnen. Ein junger Mann erzählt mir, wie ihn vor kurzem diese Nazis erwischt und krankenhausreif geschlagen haben und wie er knapp, ganz knapp dem Tode entronnen ist. Ein Wunder, daß er überlebt hat. Sie sind gefährlich, die Nazis, läßt er mich wissen, und lauern überall in diesem Land.

    Das ist es, was wir hier tun. Die verfluchten Nazis bekämpfen.
    Es gibt einen Sinn im Leben, vermute ich: Wichtiger als gegen die Polizei zu kämpfen ist gegen die Nazis zu kämpfen.
    An diesem Wochenende feiern die Rote Flora und andere Institutionen der radikalen Linken in der Gegend den Sieg über die Nazis. Glück gehabt, ich bin genau im richtigen Moment gekommen. Der Kampf geht weiter: heute gegen die Polizei, morgen gegen die Nazis, und dazwischen ein paar Bier.Nach ungefähr einer Stunde fühle ich mich in der Roten Flora zu Hause. An der Kasse – ja, sie haben eine – sitzt niemand. Eine gute Gelegenheit. Ich gehe rüber, setze mich auf den verdreckten Stuhl und bereite mich auf den Verkauf von Eintrittskarten vor. Junge Burschen und Mädels schauen vorbei und fragen mich, was abgeht. Gott, wenn ich das wüßte! Ich studiere den Stapel Postkarten, der vor mir liegt, um mich mit dem Angebot vertraut zu machen. Ich sollte es schließlich wissen, oder? Ich bin schließlich die Kasse. Hoppla, hier ist etwas, das mich interessiert, eine Postkarte, auf der steht: Hitler kaputt! Was ist denn das? Ach ja, ein Konzert in der Roten Flora.
    Diese Jungspunde, denen noch die Muttermilch von den Lippen tropft, feiern Hitler kaputt! In welchem Jahr befinde ich mich eigentlich? In welchem Jahrhundert?
    Ich ahne, daß ich in diesem Deutschland den Verstand verlieren werde, bevor ich überhaupt eine einzige Zeile geschrieben habe. Eine Stimme in mir sagt: Vergiß das Buch! Ich entwerfe einen Brief an meinen Verlag:
    Lieber Verleger,
    suchen Sie sich einen anderen Dummkopf!
    Dann entwerfe ich einen zweiten Brief:
    Liebe Kapitalisten wider Willen,
    ich mache es nur, wenn Ihr mir eine Milliarde Euro zahlt.
    Und noch einen:
    Liebe Freunde,
    ich brauche eine psychiatrische Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Und das bitte gleich.

    Mein Vertrag mit dem Verlag ist ziemlich kurz und simpel. Ich schreibe, sie zahlen. Aber er hat eine Klausel, die besagt, daß ich nichts Obszönes schreiben darf. Ich möchte gerne Fuck You! schreien. Kann ich aber nicht. Nicht jetzt. Ich verkaufe die Eintrittskarten in der Roten Flora und muß mich benehmen.
    Möchte jemand zu Hitler kaputt! ?
    Ein Nigerianer schaut vorbei.
    »Was geht ab, Mann?« fragt er mich.
    Bin gerade mit meinem Bier fertig und brauche ein neues, sage ich.
    »Wie viele willst du? Ich besorge sie dir.«
    Halt ein paar.
    Oha, ich bin wirklich von der Rolle.
    Er zieht ab, um mir Bier zu kaufen.
    Langsam schwant mir, was ich mir da eingebrockt habe. Wie lange kann ich meinen Fake noch aufrechterhalten?
    Ich wechsle besser die Seiten. Schnell. Vielleicht sollte ichein paar Nazis auftreiben, die mich beschützen, bevor diese Kids anfangen, mir leere Bierflaschen an den Kopf zu schmeißen.
    Ich verlasse meinen Kartenverkäuferhocker und laufe herum. Wo kann ich die Nazis finden? frage ich die Jugendlichen.
    »Überall«, sagen sie.
    Überall?
    »Ja, überall.«
    Verstanden. So viele brauche ich gar nicht. Kann mir nicht jemand einfach mal einen zeigen, bitte? Einen, zwei, drei, meinetwegen auch vier. Das würde reichen. Kann mir irgend jemand vier Nazis zeigen?
    »Nein.«
    Drei?
    »Nein.«
    Zwei?
    »Nein.«
    Ich fühle mich wie Abraham, der mit Gott über ein paar Gerechte in Sodom feilscht.
    Wasser, Wasser überall, aber kein Tropfen zu trinken, wie Coleridge in Die Ballade vom alten Seemann schreibt. Nazis, Nazis, überall, aber nirgends einer, den ich mir anschauen kann.
    Sie verstecken sie, diese Linken! Sie verstecken meine Nazis. Diese Kids wollen alle Nazis für sich selbst haben, ich verstehe.
    Ich verlasse das Gebäude. Muß einen Nazi für mich finden, der mir ganz allein gehört!
    Aber wo? Und wie?
    Ich laufe durch die Straßen Hamburgs und bitte Leute, mir einen Gefallen, einen wirklich großen Gefallen zu tun: mich zu einem Nazi zu bringen.
    Die Kenner der Szene bieten mir sofort ihre Hilfe an. »Du mußt in den Osten«, sagen sie mir. »Bayern«, sagen andere. Viele wollen mich nach Österreich

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