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Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters

Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters

Titel: Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tillmann Bendikowski
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ich zugegebenermaßen zunächst etwas überfordert: Frühkindliche musikalische Erziehung schien mir für einen gerade sechswöchigen Säugling dann doch etwas übereilt, Babydance und Yoga für Kinder entsprachen nicht ganz meinem persönlichen Bewegungsraster, und von der Teilnahme an einem der legendären PEKiP -Kurse nahm ich Abstand, als ich erfuhr, dass dabei nur die Kinder nackt sind (diesen blöden Kalauer musste ich an dieser Stelle einfach loswerden). Ich entschied mich also für etwas Handfestes, einen Massage-Kursus für Säuglinge. Da passten mein Sohn und ich perfekt rein: über sechs Wochen (also das Kind) und Aufgeschlossenheit für die körperlichen Bedürfnisse eines Säuglings (bei mir). Ich meldete uns an.
    Der Kursus fand in einer der vielen Elternschulen statt, die den Charme einer evangelischen Familienbildungsstätte ausstrahlen: nüchtern und funktional, bemüht, nicht besonders gut organisiert, die Stimmung vielleicht etwas zu streng, dafür aber tendenziell ein wenig zu humorlos. Als die Teilnehmer eintrafen, wurde mir schnell klar, dass ich unter den zehn Angemeldeten selbstverständlich der einzige Mann war. Mein Sohn und ich hatten es also ausschließlich mit Müttern zu tun – und mit der Kursleiterin. Sie führte uns in den Seminarraum, der entsprechend vorbereitet warm war, was bedeutete, dass er völlig überhitzt war. Säuglingsheiß. Umgehend war ich gestresst und vollständig durchgeschwitzt – mein Sohn war noch immer voller Erwartung.
    Zunächst setzten sich alle Mütter in einen Kreis, die Kinder lagen zwischen den ausgebreiteten Beinen der Teilnehmer, dann stellte sich jeder vor. Warum man sich bei einem einmaligen Treffen mit Namen bekannt macht und erzählt, welch schwere Schwangerschaft oder was auch immer man/frau hinter sich hat, blieb mir zwar schleierhaft, doch ich machte brav mit. Aber mir war heiß. Die Kinder wurden ausgezogen, dann machten wir alle Beckenbodengymnastik. Alle. Auch ich. Ich hatte zwar kein Kind zur Welt gebracht – was Wunder wussten das im überhitzten Seminarraum alle –, aber ich war nun einmal gleichberechtigter Kursteilnehmer und machte also mit. Ich fühlte die Blicke. »Auch der junge Mann macht das ausgezeichnet«, witzelte die Kursleiterin. Mir war heiß.
    »Und jetzt, wo wir alle so schön entspannt sind, schließen wir die Augen, denken an eine weite Berglandschaft und lassen uns von dieser einzigartigen nepalesischen Meditationsmusik treiben.« Daraufhin drückte die Kursleiterin den Start-Knopf ihres mitgebrachten Ghettoblasters, wobei sie leider vergessen hatte (und ich werde mich an dieser Stelle in keinster Weise der billigen Polemik über das technische Verständnis von Frauen bedienen), dass der Lautstärke-Regler noch auf die höchste Stufe eingestellt war. Ein infernalischer Lärm hob an, und die irritierte Kursleiterin nestelte unglaublich lange und hilflos an dem plärrenden Gerät herum, bis es ihr schließlich doch gelang, die Meditationsmusik aus dem fernen Nepal zumindest auf Zimmerlautstärke herunter zu regulieren. Für meinen Sohn war aber auch das noch zu viel. Meine Frau und ich hatten daheim bislang massiv auf Reizreduktion gesetzt, nicht einmal den Deutschlandfunk hörten wir in Gegenwart des Jungen (sogar »Aus Religion und Gesellschaft« enthielten wir ihm noch vor). Diese Form von Meditationsmusik sprengte notwendigerweise seinen noch jungen Vorstellungsrahmen, weshalb er das Gejaule als direkten Anschlag auf sein junges Leben werten musste. Er tat, was in seiner Kraft stand: Er schrie wie am Spieß. Angesichts der Situation wundert es mich rückblickend nicht, dass er sich nicht beruhigen ließ. Verzweifelt sprach ich ihm gut zu, nahm ihn auf den Arm und gab ihm sogar den Schnuller, was ich sonst sorgsam vermied.
    Ich wähnte mich mit meinen Beruhigungsstrategien schon auf gutem Weg, da nahte die Kursleiterin. Sie streckte ihre evangelischen Familienbildungshände nach meinem Erstgeborenen aus, um ihn zu ergreifen. Instinktiv zog ich das nunmehr noch lauter schreiende Bündel an mich. »Das Kind«, schrie die Kursleiterin durch die noch immer in sportlicher Lautstärke dudelnde nepalesische Meditationsmusik und das im Stress der Situation inzwischen vielstimmige Babygebrüll und kam, mit den Händen voran, immer näher. »Das Kind braucht jetzt eine Mutter!« Die offenbare Abwesenheit meiner Frau bestärkte mich in meinem Eindruck: Sie meinte zweifelsohne sich selbst. »Ich b i n die Mutter«, brüllte ich

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