Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters
durch den Lärm zurück.
Meine Mutter-Werdung erfolgte so spontan, dass ich über diese Zuspitzung ebenso erstaunt war wie die Kursleiterin. Ihr offensichtliches Stutzen nutzte ich zur Flucht, raffte die Klamotten meines Sohnes zusammen (der ja immer noch nackt war) und rettete mich mit dem Knaben hinaus auf den Flur. In einer geschützten Ecke zog ich ihn mit zitternden Händen an, ich war durchnässt, mir war kalt. Mein Sohn war still. Und als wir fertig waren und ich ihn auf dem Arm aus der Elternschule trug, glaubte ich auf seinem Gesicht ein dankbares Lächeln zu sehen. Den Rest des Tages haben wir kuschelnd auf dem Wohnzimmersofa verbracht, und Baby-Kurse haben wir auch keine mehr besucht.
DAS DÜMMERE GESCHLECHT
Wenn es um Kindererziehung geht, ist die ewige Frage nach der Verteilung von Klugheit und Dummheit auf die Geschlechter deutlich entschieden – zu Ungunsten der Männer selbstverständlich. Dieser Status ist allerdings auch redlich verdient, zu lange haben sich Väter nicht nur in den Augen der Mütter zu dämlich angestellt (es wird noch zu diskutieren sein, ob sie wirklich dämlich sind oder sich in einem gewieften Akt der Kommunikationsguerilla nur absichtlich dumm anstellen). Ein Besuch im nahen Drogerie-Markt macht mir in drolliger Permanenz deutlich, wie hilfsbedürftig das dumme Geschlecht aus weiblicher Perspektive schon bei einfachsten Fragen der Kinderversorgung ist: Allein wenn ich wenige Sekunden zu lang – also mehr als zwei – vor dem Regal mit der Babynahrung verweile, eilt eine freundliche Verkäuferin herbei (von wegen Service-Wüste Deutschland, Herrschaften!). »Kann ich helfen?«, lächelt sie mich gutmütig-verzeihend an. Selbstverständlich ist das lieb gemeint, denn Hilflosigkeit in Sachen Nahrungsbeschaffung (und -zubereitung) ist ja das Stammland der Männer. »Ach bitte, ja«, lautet die richtige Antwort, auch wenn man längst weiß, welchen Babybrei man kaufen will – wir wollen die Hilfsbereite doch mit einem guten Gefühl zurücklassen. »Vielen Dank. Und: einfach nur aufkochen, oder?«
Die Vorstellung vom dümmeren Geschlecht ist bei Müttern fest verankert. Einmal besuchte mich (und also auch unsere Kinder) eine Freundin, die mich doch bislang als erwachsenen und hoffentlich verantwortungsvollen Zeitgenossen kennengelernt hatte (glaubte ich jedenfalls). In dem Moment, als ich ihr eine Nuckelflasche mit Milch in die Hand drückte, damit sie mal eben einen der Säuglinge füttern sollte, fragte sie mich besorgt zurück, ob die Flasche – sie meinte dabei den Inhalt – nicht zu heiß sei. Ganz so, als sei das Wärmeempfinden von Männern durch Millionen Jahre der Evolution so deformiert, dass sie die richtige Temperatur für Säuglingsmilch (Jungs, aufgepasst: Wenn man die Flüssigkeit aus dem Sauger auf die eigenen Pulsadern tröpfeln lässt und weder Wärme noch Kälte empfindet, ist es richtig) nicht wahrnehmen können. Oder: Sie sind einfach zu schusselig für solche Aufgaben.
Das gilt aus mütterlicher Sicht auch für andere simple Dinge des Lebens. Mein Paradebeispiel ist der Schuhkauf: Wenn ich mit einem meiner Kinder ein Schuhgeschäft betrete (es ist Vormittag, außer den Verkäuferinnen sind zumeist nur andere Frauen zugegen), kündigt sich das Drama mit entschlossenen Schritten an: Eine Schuhfachverkäuferin Ende fünfzig nähert sich. Das Kind braucht neue Sommerschuhe? »Dann messen wir mal.« – »32«, bemerke ich möglichst selbstsicher. Sie ignoriert mich. »Wir messen mal« –, und schon hat sie meinen Jungen in der Mangel – »setz dich mal hier hin« –, nestelt an seinem Schuh herum, zieht ihn aus, den Socken gleich mit – jetzt kann ich endlich einschreiten: »Lassen Sie, das mache ich.« Mein Sohn sieht mich verzweifelt an. Er möchte nämlich nicht von einer ihm unbekannten Frau Mitte fünfzig an den nackten Füßen angefasst werden (ich übrigens auch nicht, weshalb ich vermute, der Junge hat das von mir).
Das Messen der Kinderfüße ist abgeschlossen. »32«, verkündet die Dame. »Eben«, antworte ich, doch meine Ironie zieht sie sich nicht an. Sie schleppt drei verschiedene Paar Schuhe heran (»nur die kommen in Frage«, obwohl der Laden zum Bersten gefüllt zu sein scheint mit anderen passablen Kinderschuhen) und zieht sie nacheinander meinem Sohn an die Füße. Mir traut sie das offensichtlich nicht zu. Als ich ihm zwischendurch heimlich doch einmal ein Paar anziehe, blickt sie skeptisch. »Passen die?« Sie drückt ihren
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