Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters
heilloses Durcheinander. Im Spiegel erheische ich ihren Blick. Sie schaut tatsächlich mitleidig – Papa versucht halt, meine Haare zu föhnen. Er gibt halt sein Bestes. Wir müssen Geduld mit ihm haben. Und ihn hinterher loben. – Das alles scheint dieser Blick zu sagen. Aus einem Reflex heraus verspüre ich keine Lust, ihre Mutter kennenzulernen.
Der abschließende Besuch im Schwimmbadrestaurant war unbefriedigend: Die Currywurst schmeckte ohne die Schwimmbadmütter um mich herum nicht so richtig. Und Väter waren auch kaum da – wahrscheinlich zogen sie rechtzeitig heimwärts, weil Mutter das Mittagessen fertig hatte. Ich fühlte mich ein wenig einsam. Ich glaube, ich will meine Schwimmbadmütter wiederhaben. Ist doch irgendwie schön, dass nicht jeder Tag ein Sonntag ist …
JEDEM KIND SEIN INSTRUMENT
Wenn früher ein Kind schwierig war, war es schwierig. Wenn heute ein Kind schwierig ist, ist es hochbegabt. Das macht manches leichter, manches aber auch fraglos schwieriger. Aber vielleicht sollen wir gar nicht »schwieriger« sagen, sondern lieber »komplexer«: Wir müssen uns nämlich von alten, wohlvertrauten Zuschreibungen trennen, was manchen Zeitgenossen nicht immer leichtfällt. So sind Kinder nicht mehr faul, unausgeschlafen, undiszipliniert oder nur schlecht erzogen. Jetzt geht es um Unterforderung im Schulunterricht, um mangelnde Flexibilität und Liberalität im Umgang mit Regeln und Gewohnheiten – bei den Erwachsenen wohlgemerkt. Man wird doch als hochbegabtes Kind einfach mal aufspringen und seinen neuesten Geistesblitz in die Welt hinausschreien dürfen, oder? So viel Aufgeschlossenheit wird man doch wohl heute erwarten dürfen. Und überhaupt: So ein hochbegabtes Kind hat es nicht leicht. Wir sollten deshalb Verständnis haben. Mehr Verständnis.
Und seien wir ehrlich: Wer möchte nicht, dass sein Kind hochbegabt ist? Da aber das Schicksal mit diesem Merkmal höchst geizig umgeht, wollen wir als Mütter doch zumindest, dass unser Nachwuchs wenigstens in irgendeinem Teilbereich des menschlichen Daseins eine Hochbegabung zu erkennen gibt. Früh bietet sich der Sport an, doch die Lorbeeren einer solchen Begabung sind in der öffentlichen Anerkennung etwas welk geworden: Früher war es vielleicht lohnend, als »Sportkanone« betitelt zu werden. Inzwischen legt die Bezeichnung den Verdacht nahe, das Kind sei zwar körperlich recht rege, geistig dafür eher träge (dass Sport strukturell dumm macht, halte ich persönlich indes für eine bösartige Unterstellung). Hochbegabte Augenblicke sehen Mütter auch gerne bei den Konstruktionsleistungen ihrer Söhne – wenn es um die auffallende Geschicklichkeit beim Turmbau mit Bauklötzchen, im Umgang mit Säge und Schraubzwinge, mit ersten elektrischen Schaltkreisen oder dem Chemie-Baukasten geht. Hier wird der Traum vom großen Entdecker oder Erfinder in der Familie geträumt, der sich dereinst, Kolumbus gleich, auf die Weltmeere des Unentdeckten wagen und mit der Neuen Welt als Beute unterm Arm heimkehren wird. Und wir Eltern stehen an der Hafenmauer und sind stolz.
Fassen wir noch einmal kurz zusammen: Niemand möchte, dass sein Kind schwierig ist. Aber erst recht möchte niemand, dass sein Kind einfach nichts ist. Also nicht mal hochbegabt. Wenn sich aber beim besten Willen nichts Hochbegabtes an dem gedankenverlorenen Spiel der Kleinen finden lässt, haben die Eltern immer noch eine Chance, hier pädagogisch geschickt nachzuhelfen und vielleicht doch noch Unentdecktes zu entdecken: Das Kind lernt jetzt ein Instrument. »Jedem Kind ein Instrument« heißt das heute – jedenfalls ist so ein entsprechendes Programm des Landes Nordrhein-Westfalen betitelt, das mit Blick auf das Jahr der Kulturhauptstadt Ruhr 2010 aufgelegt wurde. So was hört sich nicht nur gut an (weil damit wieder einmal dem Dativ gerettet wird), sondern ist auch höchst verdienstvoll, weil jedem Grundschulkind des Ruhrgebiets die Möglichkeit eröffnet wird, ein Musikinstrument zu erlernen, das es sich selbst ausgesucht hat. Das nenne ich mal einen musikalischen Strukturwandel in der Region. Dem Ruhrgebiet mag es deshalb vielleicht nicht unbedingt wirtschaftlich besser gehen, aber die Lage hört sich einfach besser an.
Wobei – das mit dem Besseranhören ist ja die eigentliche Herausforderung beim vermeintlich hochbegabten Musizieren. Nehmen wir die klassischen Vehikel der Hochbegabten-Forschung auf diesem Gebiet: die Flöte und die Geige. Beides kann in geübter Kinderhand zu
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