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Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters

Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters

Titel: Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tillmann Bendikowski
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Angestellte des Schwimmbads abgeordnet worden war, um nur diesen an sich ja automatisierten Einlass zu begleiten (werktags klappt das immer ohne Stau). Der Unterschied zwischen Frauen und Männern an solchen Drehkreuzen ist einfach erklärt: Wenn eine Frau die Eintrittskarte aus Plastik eingeschoben hat, sich die Metallbügel aber nicht bewegen lassen (das kommt immer mal wieder vor), schaut sie entweder hilflos, drückt auf irgendeine Taste oder hält Richtung Kassenbereich nach Hilfe Ausschau. Wenn bei einem Mann das Drehkreuz nicht binnen Sekundenbruchteilen auf das Einschieben der Karte reagiert, versucht er, die gesamte Anlage mit Körperkraft zu durchbrechen. Rumms. Kom-pro-miss-los. Kompromisslos männlich.
    Auch in den Schwimmbecken wurde ich gewahr, dass sonntags vieles anders ist. Allein das Leben unter Wasser: An einem Sonntagvormittag muss man aufpassen, was alles überraschend in der Tiefe unterwegs ist. Es liegt wohl daran, dass Frauen in einem Schwimmbad in erster Linie schwimmen, Männer hingegen in erster Linie tauchen. Gerade in den pudelwarmen Nichtschwimmer-Becken schweben und sausen die männlichen Körper so behänd durch das Nass, als befänden sie sich nach langer Gefangenschaft endlich wieder in Freiheit, in ihrem Ur-Element sozusagen. Ein wenig muss ich an die frühen Tierfilme von Heinz Sielmann denken, in denen die eine oder andere Seekuh überraschend geschickt durch das Meer gleitet. Die Unschärfe dieser Beobachtung mag man mir verzeihen, da ich ein wenig kurzsichtig bin – in Schwimmbädern ohnehin ein gewisser Standortnachteil: Wir Brillenträger sehen – ohne Brille – in Schwimmbädern Sachen, die so, wie wir sie wahrnehmen, nicht sind und deren wahre Identität wir erst identifizieren, wenn wir nahe herankommen; vielleicht sind wir deshalb auch ein wenig schreckhafter. Gerade an diesem Sonntagvormittag schreckte ich also das eine oder andere Mal gehörig auf, weil sich kurz vor mir immer wieder mehr oder weniger behaarte, in aller Regel aber wuchtig tätowierte Wesen enttarnten, indem sie – schwupps – aus den Fluten auftauchten. Schlangen, Drachen, Ying und Yang und so manche asiatischen Schriftzeichen erhoben sich unvermutet vor mir, so als hätte ich irgendwelche Seeungeheuer aufgescheucht, die seit Jahrtausenden in den Tiefen des Spaßbades geschlummert hatten. Natürlich waren es keine Seeungeheuer, denn die prustenden Wesen schnappten kurz nach Luft, brüllten dann so etwas wie »Jo-na-than! Hiiierher!!« – und tauchten wieder ab. Kein Ungeheuer. Nur ein Vater. Puh.
    Jonathan und die anderen Jungen (komischerweise waren die meisten Väter mit Jungen unterwegs, entweder haben sie keine Töchter oder keine Lust, mit denen schwimmen zu gehen) sind gut beraten, wenn sie sich dicht an Papa halten (Tauchen ist männlich). Denn Väter nehmen es im Schwimmbad mit der viel beschworenen Erziehung zur Freiheit durchaus ernster als die Mütter und zeigen sich bei der Übergabe von Verantwortung an den Nachwuchs tendenziell großzügiger. Fasziniert beobachtete ich ein Gespräch zwischen Vater und wohl fünfjährigem Sohn, der aus dem Strömungskanal des Spaßbeckens rief: »Papa! Paa-pa! Schnell, schnell, komm. Ich kann mich nicht mehr halten – gleich geh ich unter …« Jede Mutter hätte jetzt nur Bruchteile von Sekunden gebraucht, um beim Kind zu sein und es zu retten. Aber was macht der Vater? Hört wohl, was der Sohnemann sagt, lächelt, ruft noch: »Ja, ja« – und taucht in eine andere Richtung ab. Und der Sohn? Er stutzt nur kurz (ungefähr so lange wie der Vater vorhin am Eingangsdrehkreuz). Dann schwimmt er ebenfalls weiter.
    Es ist ein Sonntagvormittag der reinsten Lebensfreude. Es wird gelacht und geplanscht, mit Wasser gespritzt und ins Becken geschubst, bis zum Ich-kriege-keine-Luft-mehr untergetaucht und so lange mit den riesigen Schwimmreifen aufeinander geworfen, bis ein unbeteiligter Rentner ihn endlich klatschend an den Kopf bekommt. Bald bekomme ich Hunger. Rasch raus aus dem feuchten Spaß und ab ins Schwimmbad-Restaurant zu Pommes und Currywurst. Auf dem Weg dahin begegnen wir einen Vater, der seiner Tochter (also doch eine Tochter!) die Haare fönt. Als Praktiker hat er in beiden Händen einen Fön und hält von beiden Seiten voll drauf (und ein bisschen zu dicht dran, weshalb die töchterlichen Ohren schon krebsrot leuchten). Die wehrlosen langen Haare der Prinzessin fliegen nur so durch die Luft, Wirbel bilden sich überall, auf dem Kindskopf herrscht

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