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Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters

Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters

Titel: Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tillmann Bendikowski
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einem seltenen akustischen Genuss werden. Muss es aber nicht. Eine schief, aber dafür energisch geblasene Blockflöte ist ein besonderes Erlebnis, einige Musiklehrer scheuen auch nicht davor zurück, solche Experimente sogar im Klassenverband vorzunehmen. Das verdient meines Erachtens Respekt und macht ganz nebenbei darauf aufmerksam, dass das Lehrersein eben ausgedehnte Ferienzeiten beinhalten muss – oft genug dauert es Wochen, bis solche Klänge wieder aus den Ohren verschwunden sind. Aber vom kollektiven Flöten noch schnell zum individuellen Geigenunterricht. Auch hier reicht die Bandbreite der Sinneserlebnisse von der ersten wackeren Tonleiter bis hin zu einem zunächst unbekannten, sägenden Geräusch.
    »Konstantin, du musst den Ellbogen höher halten!« Ich betrachtete die engagierte Mutter, die ihren etwa Sechsjährigen zum ersten Vorspiel bei der Geigenlehrerin begleitete. Bei der letzten Probe rief sie ihm vorher noch diese Korrektur zu. Ich war irritiert. Tat ich genug für meinen Sohn, der sich ebenfalls an der Geige versuchte? Muss man dabei einen Ellbogen hochhalten? Vielleicht gar beide? Und wenn: Warum weiß ich das nicht? Schließlich heißt es doch so schön, dass hinter jedem musizierenden Kind in der Regel ein übendes Elternteil steht. (Oder vielmehr sitzt.) Das ist besonders lustig, wenn Mama oder Papa entweder das einzuübende Instrument gar nicht oder nur unzureichend beherrschen (ich habe mal versucht, eine Geige in die Hand zu nehmen und beide Ellbogen hochzunehmen – das sah irgendwie etwas albern aus), noch sehr viel lustiger ist es, wenn die Aufsichtsperson überhaupt kein Instrument spielt. Dann wird das ganze intergenerative Übeprogramm in meinen Augen noch plausibler. Ich selbst bin in meiner musikalischen Sozialisation stets gut mit dem Motto gefahren: »Wer übt, der kann nichts.« Inzwischen bin ich zugegebenermaßen – zumindest mit Blick auf musizierende Kinder – ein bisschen ins Zweifeln gekommen. Der erwähnte Konstantin aus dem Geigenvorspiel (das die Mutter selbstverständlich mitfilmte) durfte übrigens bei dieser Gelegenheit ein Solo hinlegen. Es war für das Niveau eines Sechsjährigen tatsächlich beeindruckend. Wahrscheinlich ist er hochbegabt. Ganz sicher sogar.
    Aber erinnern wir uns daran, dass es heutzutage beim Musizieren der Kinder nicht um das Musizieren der Kinder an sich geht. Sondern eben immer häufiger um den richtigen Weg, doch noch eine wie auch immer geartete Hochbegabung diagnostizieren zu können. Machen wir uns nichts vor: Eine Geige ist oft genug nur Mittel zum Zweck. Wird das dem Instrument gerecht? Lohnt es wirklich, dafür die Ellbogen zu heben? Ich weiß es nicht. Ansonsten halte ich es mit Blick auf die Instrumentalisierung der Musik für andere Zwecke mit dem von mir sonst gar nicht so geschätzten Johannes Heesters: »Man müsste Klavier spielen können«, so sang er vor gefühlten 230 Jahren, »wer Klavier spielt, hat Glück bei den Fraun.« Endlich mal ein Thema, bei man nicht unbedingt hochbegabt sein muss …

MÜTTER DER NATION
    Es wäre übers Ziel hinausgeschossen, würde man generell behaupten, Mütter seien scheue Wesen. Sicherlich gibt es immer mal wieder einige, die in der Zurückgezogenheit der häuslichen Idylle ihr zufriedenes Dasein fristen, die Mann und Kinder rund um die Uhr umsorgen und ansonsten den Gang der Weltgeschichte nicht weiter behindern. Aber von diesen dankbaren Geschöpfen einmal abgesehen, treffen wir Mütter in der Öffentlichkeit durchaus selbstbewusst immer wieder in kleinen Grüppchen an, die sich vor Kindergärten und Schulen, in der Sauna, vor dem Yogastudio oder im Kassenbereich des Bioladens sammeln (»Darf ich mal? Danke …«). Und dann gibt es da noch eine weitere Kategorie von Müttern, die so sehr im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen, dass wir mit dem Begriff der Scheuheit nicht weiterkommen. Sie ahnen es: Es handelt sich um die viel beschworenen Mütter der Nation. Die einen mögen jetzt an Ursula von der Leyen denken, ich selbst möchte der Globalisierung Tribut zollen und zugleich auch Sarah Palin erwähnen, die Ex-Gouverneurin von Alaska.
    Jetzt werden Sie sagen, dass zwischen diesen beiden doch erhebliche Unterschiede zu erkennen sind. Das räume ich auch freimütig ein, und um gleich den wohl markantesten Unterschied zwischen beiden in einem Bild zu fassen: Bei allen politischen Differenzen hätte ich nie die Sorge, Ursula von der Leyen könnte mit einem entsicherten Sturmgewehr in

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