Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters
grauenhaft schlecht wird.) Von den Kügelchen geht also fraglos eine besondere Anziehungskraft auf Mütter aus. Und das, so habe ich den Eindruck, gilt auch für eine andere Kugel – den Fußball nämlich. Deshalb an dieser Stelle – bevor wir zur Drogensucht kommen – erst einmal zu dieser in Deutschland immer noch prominentesten aller Primitivsportarten.
Auch beim Fußball kann man eine Mut machende Entwicklung beobachten: Frauen erobern mehr und mehr auch diese bisherige Männerdomäne. Damit habe ich zunächst kein Problem, wenngleich ich mich dann mit den Jahren doch verstärkt frage, weshalb sich meine so feinfühligen und emotional intelligenten Mitmütter gerade für diesen Sport interessieren – genauer: ihn als einen geeigneten Sport für ihre Kinder ansehen, vor allem für die Jungen. Ich selber habe prinzipiell nichts gegen Fußball, bin sogar nach wie vor der Meinung, dass es sich im Prinzip um ein intelligentes Spiel handelt, in dem tatsächlich die klügere Spielweise und auch der klügere Spieler letztlich erfolgreich sein könnten. Könnten. Denn eigentlich stellt die Summe des bundesdeutschen Fußballspiels ein grauenhaftes Gekicke dar, dem allwochenendlich Millionen grölender und womöglich betrunkener Männer ihr lautstarkes Geleit geben. Sie werden alle wissen, dass diese Beurteilung nur maßvoll übertrieben ist – und sie lenkt den Blick wieder auf meine Ausgangsfrage: Warum treiben immer mehr Mütter ihre Kinder – und hier geht es wirklich einmal wieder vor allem um die Söhne – in die Arme dieser Sportart?
Wir alle haben in jungen Jahren Canettis »Masse und Macht« gelesen, deshalb ist es ja eigentlich klar, weshalb Jungen in den Sog des Fußballs geraten. Sie wollen dazugehören, sie wollen nicht nur mitreden können bei den üblichen anspruchsvollen Fan-Fachgesprächen der Großen (»Scheiß Werder Breee-men, wir singen scheiß Werder Breee-men …«). Deshalb zieht es sie schon mit Kindergartenfreunden zum örtlichen Fußballverein, wo sie die Jahre unter elf Freunden als wichtige Phase der Mannbarkeitswerdung erleben dürfen. Viele Knaben sollen aus mütterlicher (und hier ist der Zusatz wichtig: auch aus väterlicher) Perspektive dort zum echten Kerl werden. Überraschenderweise wird gerade für von Natur aus eher zurückhaltende Jungen der Fußball als so etwas wie die Schule der Nation angesehen. »Fußball ist halt ein Körperspiel«, »da muss man auch mal was einstecken« (wahlweise was »austeilen können«), und überhaupt sei das Leben keine Waldorfschule. »Nun schieß doch endlich – Manomanomanomannnn!!!« Längst stehen nicht nur Väter am Spielfeldrand, sondern (ich hatte oben auf die Mut machende gesellschaftliche Entwicklung hingewiesen) auch immer mehr Mütter. Gegen diese sind die Schwimmbadmütter an der Panoramascheibe die reinsten Klosterschülerinnen: Wo gebolzt wird, ist halt auch der Ton ein bisschen rauer. Statt Seepferdchen gibt’s hier im besten Falle Pferdeküsse, auf jeden Fall ordentliche Tritte. Ist halt ein Körperspiel. Und vielleicht das letzte nahezu geschlossen homophobe Körperspiel in Deutschland.
Schon vor einigen Jahren hat der Augsburger Sportpädagoge Helmut Altenberger eine Untersuchung über das Benehmen im Fußball durchgeführt und kam zu dem nicht weiter überraschenden Befund, dass der Fußball nicht uneingeschränkt als Schulsport empfohlen werden kann. Und die Diskussionen um das Leiden deutscher Schiedsrichter gerade in den unteren Ligen könnten Anlass zur Frage geben, ob auf und um den Fußballplatz herum tatsächlich die Kulturtechniken vermittelt werden, die wir als Mütter im Blick haben. Sicher, wenn ich an den Fußballplätzen unserer Umgebung vorbeikomme, ertappe ich mich dabei, dass ich manchen Trainer beneide, weil er noch eine echte Autorität ist. (Wo ja alle ständig davon reden, Kindern Grenzen setzen zu müssen, ist er damit so etwas wie ein heimliches Idol einer an Erziehungsfragen leidenden Elterngeneration.) Was der Trainer sagt, wird getan. Egal, ob es stimmig ist oder nicht. »Mann! Abge-ben! Du hättest den abgeben müssen!«, brüllt der Jugendtrainer seinen Spieler mitten im Spiel von der Seitenlinie an. Dieser hat indes seine Portion Erziehung zur Freiheit anscheinend schon irgendwo genossen und ruft zurück: »Wie soll ich das denn bitte schön machen? Da stand doch keiner frei!« Auch darauf hat der Trainer eine logische Antwort: »Ruhe! Hier wird nicht diskutiert!« Das müsste ich mich zuhause
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