Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters
mal trauen, denke ich melancholisch – und ziehe weiter. Manchmal wäre ich auch gerne Trainer. Mit Trillerpfeife und: »So, Sportsfreunde, jetzt aber mal alle hergehört.«
Aber ich kann mich ein wenig trösten – denn zuhause bin ich vielleicht nicht Herr über den Ball, aber doch Herr über die Kügelchen. Womit wir nahezu unmerklich dann doch wieder bei der Homöopathie gelandet wären. Keine gute Mutter kommt heute ohne ein mehr oder weniger ansehnliches Arsenal an Globuli aus. Selbst in den Erste-Hilfe-Kästchen der Spielplatzmütter fehlen die Kügelchen nicht, und wenn ich mit unserem Ältesten eine Fahrradtour unternehme, habe ich meine Mittel der Wahl selbstverständlich immer dabei. Das entspannt und verleiht Sicherheit. So wie bei jeder Droge … Hupps, das wollte ich jetzt gar nicht schreiben (wenn das mein Homöopath erfährt, sieht das für unseren gemeinsamen Energiehaushalt gar nicht gut aus, fürchte ich). Nun ja, jetzt ist es raus: Immer mehr Kinder sind auf Kügelchen. Und wir Mütter auch. Wenn ein Kind fällt, kann es heutzutage fast gar nicht mehr richtig in Tränen ausbrechen, weil es sofort den Mund mit Arnica D 6 voll hat. Wie soll man da denn noch weinen können? Dann fallen doch die leckeren Kügelchen sofort wieder aus dem Mund. Erst mal ein Kügelchen. Und wenn das Kind Kopfweh hat? Oder Bauchweh? Sofort hat Mutter die richtigen Globuli zur Hand. »Hier, nimm erst einmal fünf, das hilft.« Und kurze Zeit später: »Na, hat’s schon geholfen? Ich gebe dir jetzt jede halbe Stunde noch welche.« Aufmerksamkeit mit Saccharose-Überzug.
Der Siegeszug der Homöopathie in deutschen Kinderzimmern wird nach meiner Beobachtung begleitet von einer erstaunlichen Leichtfertigkeit im Umgang mit den Kügelchen. Hier darf anscheinend jeder einmal versuchen, was denn so helfen könnte. »Schadet ja nichts.« Wirklich? Warum nehmen wir sie denn, wenn sie nicht wirken? Eine Wirkung haben sie indes fraglos: Zumindest werden unsere Kinder in dem Glauben groß, dass das Leben so schlimm schon nicht werden wird, wenn man immer nur die richtigen Kügelchen zur Hand hat. Wahrscheinlich hat diese Entwicklung bereits den deutschen Fußball erreicht, einige dieser Supertalente könnten ja schon unsere Kinder mit Kügelchen-Erfahrungen sein. Jedenfalls sieht man diese Jogi-Löw-Generation der wohlerzogenen, sympathischen und klugen Jungs eigentlich nie mit den traditionellen Genussmitteln aus der Geschichte des Fußballs. Als ich in jungen Jahren selbst noch Fußball spielte, gehörten zum sonntäglichen Spiel aller Herrenmannschaften die Bierkisten – für Zuschauer wie Spieler. Und in lebhafter Erinnerung sind die Bilder etwa eines Mario Basler, der souverän zu einem ordentlichen Weizenbier greift, oder eines freiheitskämpferischen Paul Breitner mit einer wuchtigen Zigarre im Mundwinkel. Das waren Zeiten. Wenn unsere Jungnationalspieler heute gut draufkommen wollen, nehmen sie vermutlich Belladonna. Oder Pulsatilla. Und sie werden auch nicht mehr fit gespritzt, sie nehmen einen ordentlichen Happen Arnika. Das macht Mut, oder?
SONNTAGS IN DER KLEINEN STADT
Die Älteren werden sich vielleicht noch erinnern, dass ganz, ganz früher einmal so etwas wie eine Sonntagsruhe existierte. Da gab es Tage, an denen Kaufhäuser und Bäckereien geschlossen hatten, ohne dass Menschen verhungerten oder nackt herumliefen, an denen auf den Straßen und in manchen Häusern mehr Ruhe herrschte. Oft gingen die Menschen an diesem Tag sogar in die Kirche. Das ist heute arg aus der Mode gekommen, manch einer in meiner erweiterten Nachbarschaft jedenfalls hat das Gesangbuch längst gegen einen deutlich weniger melodiöseren, aber dafür ohrenbetörenden Laubpuster getauscht. Wenn es also draußen insgesamt stiller ist und nur der eine oder andere verträumte Puster sein Halleluja auf ein laubfreies Paradies röhrt, muss es Sonntag sein. Dachte ich bislang. Doch dann war ich am vergangenen Sonntag mit unserem Ältesten in der nächsten Kleinstadt im Schwimmbad. Und was soll ich sagen? Jetzt weiß ich endlich, woran man zweifelsohne einen Sonntagvormittag erkennt: Das Schwimmbad ist voller Väter. Ein Erlebnis!
Mir fiel gleich am Anfang auf, dass heute irgendetwas anders war – normalerweise gehe ich nur werktags ins Schwimmbad, wo ich ja wie erwähnt immer die anderen Schwimmbadmütter treffe. Schon am Drehkreuz beim Einlass wurde der feine Unterschied erkennbar: Da stauten sich Männer mit ihren Jungen, obwohl extra eine
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