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Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)

Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)

Titel: Allen, Louise - Ballsaison in London (H218) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Allen
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einen leichten Druck an der Schulter. Warm legte sich eine Hand auf ihren zurückweichenden Körper, leise raschelnd glitt ein Stück Stoff ihren Rücken hinab und über ihr Gesäß. Talitha verbiss sich mit Mühe einen Schrei. Seine Stimme – sehr sanft und eher leidenschaftslos – sprach leise: „Hier, Ihr Umhang, er hatte sich an einem Nagel verfangen. Seien Sie ganz still. Alles wird gut werden, ich verspreche es Ihnen.“
      Ich verspreche es Ihnen. Sie glaubte ihm. Die Hand entfernte sich, doch merkte sie, dass er noch immer ganz dicht hinter ihr stand, nah genug, um ihr diese Worte ins Ohr flüstern zu können, ohne dass ein Laut nach außen drang; so nah, dass sie seinen warmen Atem spüren konnte. Talitha hörte, wie er tief Luft holte. Sie hatte den unwirklichen Eindruck, dass er ihren Geruch einsog. Als er wieder sprach, stockte die kontrollierte Stimme; ihre Nähe schien ihn tatsächlich zu verwirren.
      „Ich stecke den Schlüssel von innen ins Schloss. Sobald ich gegangen bin, schließen Sie ab.“ Nein, sie hatte es sich nur eingebildet; er klang pragmatisch, distanziert, unbeeindruckt vom Anblick des nackten Mädchens vor ihm, das, seiner Gnade ausgeliefert, vor Angst zitterte.
      Die Tür wurde geschlossen, das Licht verschwand. Er war weg. Plötzlich kam ihr der winzige Raum unendlich groß und leer vor. Über das Geräusch ihres klopfenden Herzens hinweg hatte sie nicht bemerkt, dass er sich bewegt hatte. Plötzlich ertönten die Stimmen der restlichen Jäger in unmittelbarer Nähe. „Was ist, Nick? Hast sie wohl aufgestöbert, wie?“
      „Der Schrank ist abgeschlossen.“ Er schien lauter zu sprechen als nötig. Wie auf ein Zeichen schüttelte Talitha ihre Starre ab und drehte den Schlüssel im Schloss. Das laute Klicken wurde zum Glück von dem außen herrschenden Lärm übertönt. „Der Schlüssel steckte von außen“, erklärte der Mann, der Nick hieß.
      Oh, wie gerissen, dachte Talitha. Die Beine gaben unter ihr nach. Langsam rutschte sie die Wand hinab, bis sie zusammengesunken auf dem Boden saß. Der Schrank ist verschlossen und der Schlüssel steckte von außen, also konnte er nicht von innen abgeschlossen worden sein. Alles die reine Wahrheit und doch durch und durch gelogen.
      „Gentlemen, Gentlemen, kommen Sie bitte mit mir nach unten, dort ist es bequemer für Sie, und wir können uns in Ruhe der Frage nach Lady Agathas Porträt widmen.“ Die Männer folgten Mr Harland. Ihre Stimmen, bar jeden Eifers, jetzt, da die Jagd ein enttäuschendes Ende genommen hatte, verloren sich auf dem Weg die Stiege hinab.
      Talitha blieb im Schrank hocken, bis sich ihr Atem etwas beruhigt hatte und die Welle der Übelkeit abgeklungen war. Anschließend musste sie feststellen, dass sie sich, steif vor Kälte, kaum mehr bewegen konnte. Mit quälender Langsamkeit, wie eine alte Frau, die sich nach einem Sturz erhebt, krallte sie sich hoch, bis sie wieder auf ihren Füßen stand. Das erneute laute Klicken des Schlüssels, als sie ihn im Schloss drehte, ließ sie zusammenfahren. Gespannt auf jedes Geräusch lauschend, schob sie behutsam die Tür auf und schlich auf Zehenspitzen in die kalte Dachkammer hinaus. Von unten hörte sie entfernte Stimmen. Mr Harland hatte sie also letztendlich alle in seinem Atelier im ersten Stock versammelt, Gott sei Dank. Vermutlich bot er ihnen gerade von dem guten Madeira an, den er dort für seine Kunden bereitstehen hatte.
      Talitha schlich sich die Stiege hinab in den nächsten Stock. Hier befand sich die beinahe leere Schlafkammer, in der sie sich üblicherweise umzog. Das Wasser in dem Krug, mit dem sie sich die staubigen Finger wusch, war eisig, die wohltuende Geborgenheit ihrer Kleidung wärmte sie jedoch bereits von innen. Der Duft des Jasminwassers, das sie stets auflegte und das ohne ihre Körperwärme zu weniger als einem Hauch verblasst war, stieg ihr wohltuend in die Nase. Sie zwang den Kamm durch ihre Haare. Bei jedem Strich zuckte sie unter dem ziehenden Schmerz zusammen, doch es musste sein, sie musste das Haar zu einem festen Zopf geflochten hochstecken, damit ihre Haube den hellen, blonden Schimmer vollständig bedeckte. Einem Kenner der neuesten Damenmode wäre aufgefallen, wie überraschend elegant im Vergleich zu ihrem abgetragenen Gewand diese Haube war, die sie auf ihrem endlich gebändigten Haar feststeckte. Feinstes gebleichtes Stroh, erkennbar Lutoner Flechtwerk, mit einem, wenn auch bescheidenen, Besatz aus fein gewebtem

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