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Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)

Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)

Titel: Allen, Louise - Ballsaison in London (H218) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Allen
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Kopf und Schultern einer eindrucksvollen Dame mit eisengrauem Haar. „Lady Agatha Mornington. Ich werde es demnächst firnissen.“ Erschrocken zuckte Talitha zusammen, dies war Jack Hemsleys Tante. Als Nächstes wurde die Dreiviertel-Ansicht einer Dame mit einem Kind auf dem Schoß gezeigt, danach das lebensgroße Bildnis einer würdevollen Gestalt in einem bodenlangen Kleid, die sich mit einer Hand an einer klassischen Säule abstützte. Es handelte sich hierbei nur um eine Skizze, die allerdings sehr detailgetreu ausgeführt war. Das Gesicht, das dem Betrachter gelassen zulächelte, gehörte Talitha.
      „Ah, hier ist das umwerfende Bildnis, das ich bei meinem letzten Besuch gesehen habe“, rief Lady Parry erfreut aus.
      „Ja, Mylady. Da Sie es bereits gesehen haben, fand ich es nicht weiter schlimm, es Ihnen erneut zu zeigen, und dachte, Miss Grey würde es ebenfalls amüsant finden. Ich hole mir rasch meinen Skizzenblock.“ Mit diesen Worten verließ Mr Harland das Zimmer.
      „Das … das ist das Bild, das Sie von mir gesehen haben?“, fragte Talitha fassungslos. Eine schreckliche Vorahnung zog ihr den Magen zusammen. „Das, wofür ich gesessen habe, weil Lady Smythe in Umständen war?“
      „Ja, natürlich, meine Liebe. Gibt es denn noch mehr? Ich finde es sehr nett, dass Mr Harland dein Gesicht gezeichnet hat, obwohl es im fertigen Werk natürlich Lady Smythe sein wird.“
      „Und das ist das Kostüm, das Sie … so empörend fanden?“ Der Knoten der Vorahnung in ihrer Magengrube verwandelte sich in einen Klumpen Blei.
      „Es sieht so aus, als wären die Petticoats angefeuchtet worden“, erklärte Lady Parry streng. „Man sieht ja jede Rundung. Und was dieses Mieder oben hält – wenn man es überhaupt so nennen kann – weiß Gott allein. Und doch, jeder weiß, dass Penelope Smythe sich für unwiderstehlich hält, und es muss sie hart getroffen haben, ihre Figur verloren zu haben, wie kurz dieser Zustand auch anhalten mag.“
      Entgeistert sank Talitha auf ihrem Stuhl zusammen. Also hatte Lady Parry keines der schockierenden Aktbilder gesehen, nur dieses Porträt. Sie hätte ihrer Intuition vertrauen sollen, die ihr zugeflüstert hatte, Lady Parry sei ungewöhnlich tolerant – zu tolerant. Was sollte sie jetzt nur tun?
      Mr Harland kehrte zurück und vertiefte sich mit Lady Parry in ein Gespräch über die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Größen und Darstellungsweisen. Schließlich einigte man sich auf ein lebensgroßes Porträt mit Stoffbahnen als Hintergrund. Talitha war es unmöglich, mehr als eine Maske geheuchelten Interesses aufzusetzen. Sobald alles besprochen war, folgte sie Lady Parry wortlos nach unten.
      In ihrem Kopf drehte sich alles. Am liebsten wäre sie zu Nick geeilt, ihm um den Hals gefallen und hätte alles gestanden. Da dies als unverzeihliche Dummheit ausschied, stand sie nur auf dem Gehweg und bemühte sich, ihre Fassung wiederzuerlangen. Plötzlich sah sie den Mann.
      „Tallie? Was ist los? Du bist ja ganz blass.“ Lady Parry schob sie hastig in die Kutsche und fing an, in ihrer Tasche zu suchen.
      „Ich glaube, ich … wir … werden verfolgt“, brach es aus Talitha hervor.
      „ Was? Von wem?“
      „Ein Mann – er ist gerade in eine Seitengasse verschwunden. Ich habe ihn vorhin aus einer Droschke steigen sehen, als wir hier ankamen und gestern draußen vor Ackerman’s. Ich bin sicher, dass er schon länger hier umherschleicht – gestern hatte ich schon das Gefühl, dass er mir bekannt vorkommt.“ Sie unterbrach sich und bemühte sich, ruhiger zu sprechen. „Es tut mir leid, Tante Kate, ich bilde mir vermutlich nur etwas ein.“
      „Vielleicht, vielleicht auch nicht. In der Stadt laufen eine Menge zwielichtiger Gestalten herum“, erwiderte Kate Parry grimmig. „Ich werde mit Nicholas darüber sprechen.“
      „Oh, nein, er wird mich für überspannt halten, dass ich mir über solche Dinge Gedanken mache.“
      „Tja, ich mache mir aber auch Sorgen – und er sollte besser nicht andeuten, dass er mich für überspannt hält“, entgegnete Lady Parry augenzwinkernd. „Außerdem nimmt Nicholas ab und zu die Dienste eines Ermittlers in Anspruch, daher wird er genau wissen, wie man mit so etwas umgeht.“
      Ein unerfreulicher Gedanke schlich sich in Talithas Kopf. Sie wusste, dass Nick sie hatte überwachen lassen, bevor sie zu seiner Tante gezogen war. Und er wusste, dass sie noch immer ein Geheimnis wahrte.

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