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Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)

Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)

Titel: Allen, Louise - Ballsaison in London (H218) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Allen
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für die Farben, hielt ihnen die Tür auf, akkurat in seine beste, grüne Schürze gekleidet, die spärlichen grauen Haare sorgfältig gebürstet. An „Porträt-Tagen“ putzte er sich stets heraus, um die Kundschaft zu empfangen. In der restlichen Zeit hatte er sich mit Äußerlichkeiten nie aufgehalten und war nach einer herzlichen, aber kurzen Begrüßung immer mit wehender, ölbefleckter Schürze zurück in seine Werkstatt geeilt, Messer oder Stößel in der Hand.
      Er half Lady Parry mit ihren Sachen, dann erblickte er Talitha. „Miss Grey! Was für eine Freude! Sie werden glücklich sein zu hören, dass ich es schließlich doch geschafft habe, eine größere Menge Mumien aufzutreiben.“
      „Guten Morgen, Peter. Ich freue mich für Sie – wo es doch immer schwieriger wird, Nachschub zu beschaffen, nicht wahr?“
      Peter hatte ihr manchmal erlaubt, sich in seiner Werkstatt umzusehen und ihr den Inhalt der einzelnen Gläser und Papierbriefchen erklärt, die jedes Regal füllten und aus allen Schubladen quollen.
      „Mumien?“ Lady Parry, stets bereit, etwas Neues zu lernen, blieb an der Treppe stehen, eine Hand auf dem Geländer.
      „Ja, Mylady. Warten Sie, ich zeige es Ihnen.“ Der Farbenmischer verschwand in seinem Heiligtum und erschien mit einem Kistchen wieder, das er behutsam öffnete. Im Inneren lagen einige Platten einer abblätternden Substanz von der Farbe getrockneter Tabakblätter sowie ein gekrümmtes Objekt, das einem menschlichen Fingerglied täuschend ähnlich sah.
      „Was, um alles in der Welt, ist das?“, fragte Lady Parry und berührte es mit einer behandschuhten Hand.
      „Ich würde sagen, es handelt sich um … einen menschlichen Finger.“ Talitha schluckte. Es war faszinierend gewesen zu hören, wie einige Künstler die Überreste aus dem heißen ägyptischen Sand zu Staub zermahlten, um sie als braunes Pigment zu verwenden. Dies leibhaftig zu sehen, war um einiges weniger erbaulich. Sie schluckte wieder. Das war ein unseliger Gedanke gewesen.
      „Oh, mein Gott! Das arme Geschöpf! Wofür brauchen Sie das bloß?“ Hastig zog Lady Parry ihren Finger zurück.
      „Das ist doch nur ein Stück eines Heiden, Mylady. Ich wage zu behaupten, dass er schon seit der Sintflut tot ist.“ Behutsam schloss Peter sein kostbares Kistchen wieder. „Es ergibt ein wunderbar tiefbraunes Pigment, mit nichts zu vergleichen. Die Kosten, Mylady, sind jedoch horrend. Gut, dass die Gauner, die gestern Nacht hier eingebrochen sind, nicht daran gedacht haben, auch hier unten hinzukommen – hier lagern schließlich Lapislazuli und Blattgold …“
      „Sie hatten Einbrecher hier? Was ist passiert?“, fragte Talitha besorgt. „Es ist doch hoffentlich niemand verletzt worden?“
      „Nichts dergleichen, glücklicherweise.“ Diese Stimme gehörte Mr Harland, der, von den Geräuschen im Flur alarmiert, herunterkam, um seine Kundin zu begrüßen. „Guten Tag, Lady Parry, es ist mir eine Ehre. Miss Grey, wie schön, Sie wiederzusehen.“ Talitha musste lächeln. Wenn er malte, mochte Frederick Harland zerstreut, unaufmerksam und zeitweise vollkommen geistesabwesend sein, mochte lautstark lamentieren, dass ihm seine eigenen Werke nicht gefielen, doch seine weibliche Klientel bezauberte er stets mit ungeteilter Aufmerksamkeit.
      Er komplimentierte sie in sein für die Öffentlichkeit gedachtes Atelier und den Empfangsraum. Dies war eine gänzlich andere Welt als der staubige, zugige Dachboden, auf dem seine großen Leinwände aufgestellt waren und wo Talitha in ihren dünnen Fähnchen vor Kälte gezittert hatte.
      „Wurde etwas gestohlen?“, fragte sie, während er Stühle neben eine Reihe leerer Staffeleien für sie aufstellte.
      „Nein – das ist wirklich eine äußerst seltsame Sache.“ Der Künstler runzelte die Stirn. „Sie haben nur die Leinwände durchstöbert – zum Glück haben sie nichts beschädigt – und mehr nicht.“
      „Vielleicht sind sie gestört worden“, schlug Lady Parry vor. „Oder sie haben gedacht, Sie würden Ihre Wertsachen dazwischen verstecken.“
      „Sie haben höchstwahrscheinlich Recht, Mylady. Nun, wie ich es verstehe, haben Sie sich entschieden, Ihr Porträt malen zu lassen, und wollen mich gnädigerweise mit dieser Aufgabe betrauen. Das Erste, worauf wir uns einigen müssen, sind Größe und Stil des Gemäldes. Ich zeige Ihnen ein paar Beispiele …“
      Er stellte eine Reihe von Leinwänden auf die Staffeleien. Zuerst kamen

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