Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)
ihr und las dann den Titel des Buches. „Ein interessanter Bericht.“
„Ich würde auch gerne reisen, aber da ich das nicht kann, tröste ich mich mit gut geschriebenen Reiseberichten.“
„Warum kannst du nicht reisen?“, fragte Nick und brachte ihr den Reisekoffer, den er zuvor an der Tür abgesetzt hatte.
„Sind das meine Kleider? Vielen, vielen Dank. Warum ich nicht reisen kann? Na ja, das ist nicht gerade etwas, was man als junge alleinstehende Dame tut, oder?“
Nick zuckte die Schultern. „Dein Ehemann wird dich zweifellos verwöhnen, auch wenn er dich vielleicht nur nach Italien und nicht nach Indien mitnehmen wird.“
Talitha hielt inne, die Hände auf den Schnallen des Reisekoffers. „Ehemann? Du hast mehr Vertrauen als ich darin, dass ich einen finde! Lass mal sehen – wie, meinst du, sollte ich erklären, dass ich nackt für einen Künstler Modell gestanden habe? Oder dass ich so, wie Gott mich schuf, auf den Dächern von London herumgeturnt bin? Und wann während des Antrags bringe ich dieses Thema bitte zur Sprache?“
Nick öffnete die Tür zum Ankleidezimmer, blieb jedoch kurz auf der Schwelle stehen. „Ich bin hier drinnen. Klopf an, wenn du fertig bist. Weißt du, Talitha, du bist so intelligent und so pragmatisch veranlagt, dass ich manchmal vergesse, wie jung du eigentlich noch bist und wie behütet dein Leben bisher gewesen ist.“
Was zum Teufel sollte das denn heißen? Talitha blinzelte der geschlossenen Tür nach, dann zuckte sie mit den Schultern. Sofort verzog sie schmerzlich das Gesicht und bedauerte, sich so achtlos bewegt zu haben. Sie zog ihre Kleider aus dem Koffer. Es herrschte eine eigenartige Stimmung zwischen ihnen heute Morgen. Das kam schwerlich überraschend, wenn sie sich überlegte, was in der Nacht geschehen war – ganz zu schweigen von dem, was beinahe vorhin passiert wäre. Zweifellos hatte Nick bis zum Abend die unterkühlte, aufreizend misstrauische Fassade wiederhergestellt, und es war ihr möglich, sicheren Abstand zu wahren.
Als er, nachdem sie an die Tür geklopft hatte, aus dem Ankleidezimmer heraustrat und die Maske wieder fest an ihrem Platz saß, war Talitha daher nicht überrascht. Sie fragte sich nur, ob sie diese intensiv glühenden Augen, dieses Aufblitzen echter Freude und seine Mitteilsamkeit nur geträumt hatte.
Die eine Hand leicht unter ihren Ellenbogen gelegt, in der anderen ihren leeren Reisekoffer, führte er sie nach unten. Das Vestibül war leer: Wenn ein Lord Arndale andeutete, er wünsche nicht gestört zu werden, wurde dies natürlich kommentarlos respektiert. Er nahm einen langen Umhang vom Tisch und hängte ihn Talitha um die Schultern, dann zog er ihr die Kapuze über den Kopf und wies sie an: „Halte den Kopf gesenkt.“
Mit herabgezogenen Jalousien wartete seine Kutsche vor der Tür. Bevor Talitha wieder zu Atem kommen konnte, saß sie bereits darin, und die Pferde zogen an.
„Also“, bemerkte Nick, der ihr gegenübersaß, „der Trick besteht darin, dich vor Tante Kates Haustür abzusetzen und wieder weg zu sein, bevor jemand merkt, dass du nicht aus einer Droschke gestiegen bist.“
Dieses Manöver wurde offensichtlich erfolgreich ausgeführt, denn Rainbird öffnete Talitha die Tür ohne irgendwelche Anzeichen, dass ihre Ankunft nach dem ungeplanten nächtlichen Fernbleiben außergewöhnlich war.
„Guten Morgen, Miss Grey.“
„Guten Morgen, Rai…“ Mitten im Wort musste Talitha herzhaft gähnen. „Oh, entschuldigen Sie bitte, Rainbird! Ich fürchte, ich bin letzte Nacht viel zu lange aufgeblieben, und Sie wissen ja, wie das ist, wenn man in einem fremden Bett schläft.“ Mühsam unterdrückte sie ein weiteres Gähnen. „Seien Sie doch bitte so nett und läuten Sie nach meiner Zofe. Ich denke, ich werde mich etwas hinlegen.“
Talitha konnte sich gerade noch so weit konzentrieren, dass sie sich an den Zustand ihres Rückens erinnerte, bevor sie sich aus ihrem Kleid helfen ließ. Sobald das Mädchen ihr Mieder aufgehakt hatte, entließ sie es. Als sie sich hinlegte, brannten die Abschürfungen, doch innerhalb von Sekunden in ihrem gewohnten, eigenen Bett, war sie so entspannt, dass sie sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.
17. KAPITEL
E rschrocken wachte Talitha auf. Draußen auf dem Absatz herrschte Aufruhr. Unerklärlicherweise hörte sie Lady Parrys Stimme. Talitha rollte sich aus dem Bett, warf den Morgenmantel über und spähte
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