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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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Ruth im Sinn hatte, aber für Diskussionen hat sie jetzt keine Zeit. Verärgert sieht sie, dass der Deckel bereits gelüftet ist und Nelson und Lord Smith in den offenen Sarg schauen. Der Techniker filmt eifrig.
    «Ich muss aufhören», sagt sie. «Ciao.»
    «Dein Auftritt, Ruth», sagt Phil huldvoll, obwohl er wegen des Anrufs mit Sicherheit sauer auf sie ist. Als sie näher kommt, sieht sie, dass das Skelett in einen seidigen Stoff gewickelt ist, der aber zugleich wie mit Wachs imprägniert wirkt. Neben dem Kopf entdeckt sie, bestens erhalten, den oberen Teil des bischöflichen Krummstabs.
    «Bischöfe wurden häufig mit ihrem Krummstab beigesetzt», erläutert Phil. «Ein interessantes Überbleibsel des Aberglaubens, dass man sein Hab und Gut mit hinüber ins Jenseits nehmen kann. Womöglich wurde dieser hier sogar extra für die Bestattung angefertigt. Die Krümmung sieht aus, als wäre sie aus Jett.» Tatsächlich glänzt die Spitze des Stabs matt und dunkel.
    Ruth streift die Handschuhe über und beugt sich über den Sarg. Der Seidenstoff ist gut erhalten, was zweifellos an der dünnen Wachsschicht liegt. «Bienenwachs», sagt sie. «Ein natürliches Konservierungsmittel.» Vorsichtig entfernt sie das Leichentuch. Hinter sich hört sie die anderen aufkeuchen, als das Skelett des Bischofs sichtbar wird.
    Es ist ein Skelett wie aus dem Bilderbuch: in Rückenlage, die Arme vor der Brust gefaltet. An einem Finger steckt ein Ring, und unterhalb der Füße kann man einen Schuh erkennen. Doch als Ruth genauer hinsieht, wird ihr noch etwas anderes klar.
    Bischof Augustine ist eine Frau.
     
    «Dann war der alte Knabe also in Wirklichkeit ein altes Mädchen. Ist ja der Brüller!» Cathbad lehnt sich im Sessel zurück und lacht aus vollem Hals. Kate, die ihn angestrengt beobachtet, lacht mit. «Bist du sicher?»
    «Natürlich bin ich sicher», erwidert Ruth spitz. «Weibliche Beckenknochen unterscheiden sich schließlich ganz offensichtlich von männlichen. Das weibliche Becken ist flacher und breiter, das Schambein deutlich länger. Dieses Skelett ist eindeutig weiblich.»
    «Glaubst du, die Leichen wurden ausgetauscht, oder war Bischof Augustine die ganze Zeit eine Frau?»
    «Das weiß ich nicht. Es gab doch angeblich auch mal einen weiblichen Papst, oder?»
    «Die Päpstin Johanna.» Cathbad nickt und nimmt einen Schluck von seinem Wein. «Sie wurde nur enttarnt, weil sie mitten in einer Feiertagsprozession niedergekommen ist.»
    «Ja, das ist allerdings verdächtig.» Ruth schenkt Wein nach. Ursprünglich war es ihr gar nicht recht, dass Cathbad vorbeikommen wollte – Besuch ist ihr zurzeit einfach viel zu anstrengend –, doch jetzt, wo er da ist, findet sie es erstaunlich nett. Die ersten zehn Minuten hat Cathbad mit Kate herumgetobt, die jetzt angemessen schläfrig wirkt, auch wenn sie Cathbad nicht aus den Augen lässt, für den Fall, dass er noch irgendetwas Lustiges macht. Außerdem hat er Wein mitgebracht, was nie verkehrt ist. Ruth schlägt vor, eine Pasta zu machen. Sie ist keine besonders gute Köchin, aber sie hat Hunger, und Cathbad ist kein anspruchsvoller Gast. Er ist Vegetarier (natürlich), sie braucht also nur ein Glas Pesto zu öffnen. Kate isst ebenfalls gerne Pesto, und wenn alles gutgeht, schläft sie danach problemlos ein.
    «Was hat denn Lord Smith gesagt?», fragt Cathbad und schneidet hinter dem Weinglas hervor eine Grimasse für Kate. «War es ein Schock für ihn, dass sein berühmter Vorfahr sich als Verkleidungskünstler entpuppt hat?»
    «Er war total baff», sagt Ruth. «Ständig hat er mich gefragt, ob ich auch sicher bin. Und Phil war begeistert. Das ist natürlich eine viel bessere Story für die Presse.»
    Cathbad verzieht wieder das Gesicht, diesmal aber nicht nur Kate zuliebe. «Na, typisch. Der Mann ist eine solche Rampensau. Arme Shona. Ich weiß wirklich nicht, wie sie es mit ihm aushält.»
    Cathbads Zuneigung zu Shona und seine Abneigung gegen Phil hat eine lange Tradition, aber so leicht will Ruth ihn dann doch nicht davonkommen lassen. «Sie hält es mit ihm aus, weil er alles macht, was sie will. Unterdrückt wird sie nicht gerade.»
    «Ich weiß. Im Herzen ist sie eine Kriegerin. Aber was ist denn nun mit dem Bischof? Wie willst du das Rätsel lösen?»
    «Erst mal werde ich in die Kathedrale gehen und mir die Aufzeichnungen ansehen. Und dann gibt es da noch eine Lokalhistorikerin, die sich bestens mit Bischof Augustine auskennen soll.»
    Cathbad nickt. «Janet Meadows.

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