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Die Diebe von Troja - ein Abenteuer um Heinrich Schliemann

Die Diebe von Troja - ein Abenteuer um Heinrich Schliemann

Titel: Die Diebe von Troja - ein Abenteuer um Heinrich Schliemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Vry
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Die Mutprobe

    U huuu ...«
Jannis zuckte zusammen.
    »Uhuuuuuuuu ...«
    Er war sich nicht sicher: War das der Ruf einer echten Eule oder war es das vereinbarte Zeichen? Vorsichtig reckte er seinen Kopf und blickte nach oben. Nein, der Himmel war noch genauso tiefschwarz wie vor Stunden. Stunden? Waren es überhaupt schon Stunden , die er hier unten auf dem Boden des Grabens hockte und auf das Ende, den erfolgreichen Ausgang seiner Mutprobe, wartete? Schwer zu sagen, er hatte mittlerweile jedes Zeitgefühl verloren. Er zitterte. Das Einzige, was er spürte, war die nasse modrige Kälte, die aus den metertiefen Erdwänden rings um ihn herauskroch und seine dünne Baumwollkleidung feucht werden ließ. Er hockte fast vierzehn Meter unterhalb der Erdoberfläche. Mit den Armen umklammerte erängstlich seine Beine, sein Kinn presste er fest auf die Knie, dennoch klapperten seine Zähne und erzeugten ein seltsames Geräusch. Dazu kam die überraschend tiefe Dunkelheit: Es war Neumond, kein noch so kleiner Lichtschein erhellte den Himmel, einer der Gründe, warum sein älterer Bruder Nikos gerade die heutige Nacht für die Mutprobe ausgewählt hatte. Hier unten schien ihn die totale Finsternis nun endgültig verschlingen zu wollen.
    Dabei war Jannis Dunkelheit eigentlich gewohnt, schon oft hatte er sich nachts im Freien aufgehalten, aufhalten müssen, allerdings war sonst immer Nikos bei ihm gewesen. Oder die warmen und weichen Schafe des Vaters, die ihm wohltuende Gesellschaft geleistet hatten. Das hier aber war etwas anderes. Hier unten war er in einer anderen Welt, in einer Art Unterwelt, die nicht mehr zur echten Welt zu gehören schien.
    Der Schacht, in dem er saß, gehörte zu einer archäologischen Ausgrabung. Ein seltsamer Kauz, ein deutscher Archäologe, durchwühlte hier zusammen mit den Männern der umliegenden Dörfer den Boden und suchte eine versunkene Stadt. Jannis hatte sich darüber schon oft gewundert, wenn er hier tagsüber mitarbeitete: Wie konnte eine ganze Stadt untergehen? Wie konnten ihre Reste in der Erde versinken und verschwinden?
    Er zuckte zusammen. Würde der Erdboden am Ende auch ihn verschlucken? Die Wände des Grabens rückten immer dichter an ihn heran, bald würden sie ihn zerdrücken! Oder bildete er sich das nur ein? Er machte sich soklein wie möglich und presste die Augen zusammen. Noch ein anderer furchtbarer Gedanke durchzuckte seinen Kopf: Wahrscheinlich steckten die Geister der vielen Verstorbenen, der Toten der Vergangenheit, noch in der Erde und waren nun wütend auf ihn, weil sie sich in ihrer Ruhe gestört fühlten, nicht nur tagsüber, wenn rund um ihre Knochen gehackt und gegraben wurde, nun auch noch mitten in der Nacht. Insgeheim verfluchte er seinen großen Bruder und dessen Idee mit der Mutprobe. Ob Nikos geahnt hatte, welch furchtbare Gedanken einem hier unten in den Kopf schossen? Doch der Preis war nicht zu hoch: Wenn Jannis die Mutprobe bestand, durfte sein Bruder ihn nie wieder fowitsiaris – Hasenfuß – nennen oder sonst wegen seiner Ängstlichkeit hänseln. Das war die Vereinbarung. Dafür musste Jannis bis zum ersten Morgenrot am Himmel hier unten ausharren. Das musste er schaffen! Den Vater hatten sie anlügen müssen, damit er keinen Verdacht schöpfte. Sie hätten schon vor Sonnenaufgang auf der Ausgrabung bei Kyrie Schliemann, dem Archäologen, zu tun, hatten sie ihm eingeredet. Er brauche also nicht auf sie zu warten, wenn er bei Tagesanbruch aufbrach, man würde sich direkt auf der Grabung, dem Berg von Hissarlik, treffen. Er hatte es geglaubt.
    Jannis streckte seine Hand aus, ging einige Schritte und kontrollierte die Entfernung zur gegenüberliegenden Grabenwand. Er atmete auf, sie schien sich nicht von der Stelle bewegt zu haben. Er fühlte noch einmal. Zum Zeichen dafür, dass er wirklich bis zu der vereinbarten, tiefstenStelle vorgedrungen war und nicht etwa viel weiter vorne Platz genommen hatte, hatte er einen kleinen hölzernen Nagel, versehen mit den eingeritzten Initialen, den Anfangsbuchstaben seines Namens, JS für Jannis Savvidis, tief in die Erdwand gesteckt. Morgen früh würde Nikos die Stelle kontrollieren und den Beweis dafür finden, wie tapfer sein jüngerer Bruder war.
    Jannis tastete die Wand ab. Befand sich der Stab noch an der ursprünglichen Stelle? War er nicht herausgerutscht? Als er vorsichtig mit den Fingern über die Oberfläche der Seitenwand fuhr, wo er das Beweisstück vermutete, rieselte ein wenig Sand auf den Boden. Da,

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