Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
allerdings nicht ansatzweise, um den Bauern-Dialekt der Region Gargano zu verstehen. Für mich klingt der finstere Akzent Apuliens wie Finnisch. Giovanna, meine Lehrerin, ist eine kulturbegeisterte lombardische Edelfrau. Und die Menschen aus dem Süden nennt sie immer nur verächtlich terrone , was so viel heißt wie »Erdfresser«. Mein Problem ist, dass man hier in Apulien offenbar nicht nur Erde frisst, sondern dazu auch noch jede zweite Silbe eines Wortes verschluckt, quasi als Beilage. Ich verstehe niente .
»Das ist Markus«, sagt Lena nicht ohne Stolz, »mein Mann. Wir haben vor einem Monat geheiratet.«
Bis vor fünf Jahren war Lena meine Nachbarin. Sie wohnte im Hochparterre und ich in der zweiten Etage. Wir hatten uns eines Tages an der Mülltonne kennengelernt, was als Ort für ein erstes Treffen vielleicht nicht besonders romantisch ist, aber die Romantik kam dann ja noch. Jedenfalls im Rahmen meiner Möglichkeiten. So wurde also aus der schönen Nachbarin meine Gattin. Und inzwischen wohnen wir in der ersten Etage.
»Ah, was für eine tolle Überraschung«, sagt der Empfangschef und wendet sich nun auch mir zu. Große Albatros-Geste: »Ich bin der Massimo.«
Na Donnerwetter, denke ich, der terrone spricht sogar deutsch, wenn auch mit so einem putzigen Roberto-Begnini-Akzent. Und wie ich das mal in Lektion eins von »Allegro Uno« gelernt habe, erwidere ich ein eher holprig artikuliertes piacere – »sehr erfreut«. Wobei ich es eher stöhne, während mir Massimo mit einem fröhlichen Haifischlächeln die Hand zerquetscht.
»Ich hab euch einen wunderschönen Platz reserviert«, sagt Massimo. »Prima fila« , sagt er bedeutsam zu Lena, und während ich noch darüber rätsele, ob das jetzt ein geheimer Code zwischen den beiden ist, dreht sich Lena zu mir und sagt: »Erste Reihe. Meerblick. Da stehen wir fast auf dem Strand. Wie geil!«
Sollte Massimo verheiratet sein, war er seiner Frisur in den letzten drei Jahrzehnten garantiert treuer als seiner Gattin. Den Style kannte ich jedenfalls bisher nur aus Perückenläden, in denen ich zu Fasching gelegentlich herumstöbere. Er steigt jetzt in seine Ape, so eine Art motorisiertes Dreirad von Piaggio, wie es von Don Camillo gefahren wurde. »Kommt mir hinterher!«
Er knattert einen Hügel zum Meer hinunter, vorbei an Wohnwagen und Zelten und an Badeschlappenmenschen mit aufgeblasenen Gummitieren unter dem Arm. Auf einer Freifläche stehen drei Wohnmobile vom Format eines Reisebusses in U-Form zusammen, zu einer Wagenburg ausgerichtet, als erwarteten die Pilgrim Fathers einen Überfall heulender Indianer.
»Und?«, fragt Lena, dabei sieht sie aus, als würde sie platzen vor Euphorie. »Wie gefällt’s dir?«
»Frag mich nächste Woche. Ich bin müde, ich bin wehrlos. Ich habe keine Meinung. Ich will das alles nicht.«
»Jammerlappen! Pass auf, am Ende willst du gar nicht mehr weg von hier.«
Eine Bar, zwei Tennisplätze, ein kleines Fußballfeld. Fast wie ein Robinson Club, nur im, sagen wir mal, shabby chic . Massimo tuckert auf eine Wohnwagenkolonie zu, die von einem kleinen Holzpfeil als »Zona Dragone« ausgewiesen wird.
»Die stehen hier enger zusammen als in einer Reihenhaussiedlung, da hörst du doch jede Nacht deinen Nachbarn schnarchen.«
»Wenn, dann ist es doch wohl umgekehrt«, zischt Lena. »Die Nachbarn hören dich.«
Touché. In der Tat, die Leute um uns herum werden mich und meine Terror-Nase noch schneller kennenlernen, als ihnen lieb ist. Mit geröteten Augen und tiefen dunklen Rändern darunter werden sie spätestens übermorgen genervt abreisen. Oder aber mich zum Teufel jagen. Beides wäre mir nur recht.
Massimo stoppt vor einer leicht vergilbten weißen Blechwand, bestimmt fünf Meter lang, deren Hänger sich in den Sand gebohrt hat. Der apulische Bauer, der immer den Wagen auf den Platz zieht, hat offenbar Wort gehalten – wahrscheinlich war er bloß froh darüber, diese gewaltige Kiste von seinem Hof zu kriegen. »Wow«, jubelt Lena, »was für ein Riesen-Gerät. Das ist ja echter Luxus!«
»Das kommt aber sehr auf die Definition von Luxus an.«
»Früher haben wir zu sechst in so einem Teil Urlaub gemacht.«
»Dann sollen deine Eltern bloß froh sein, dass das Jugendamt damals nicht Wind von der Sache bekommen hat. Sorry, aber gegen das hier wirkt ein Zimmer im Etap-Hotel wie ein Ballsaal.«
Lena öffnet die Autotür und steigt aus. Sie sagt: »Jetzt wart’s doch mal ab. Wir haben ja noch ein Vorzelt und ein
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