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Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Titel: Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Götting
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Ich hielt Tonis Vorschlag für eine gute Idee und winkte einem der Kellner, der klappernd das Geschirr vom Hauptgang entfernte. Sehr zum Verdruss des Redners. »Äh, hm«, sagte Peter und machte mit dem Handgelenk eine Geste in Richtung Kellner, als wollte er eine lästige Fliege verjagen: »Jetzt lassen Sie das doch!«
    »… Wir standen also am heruntergelassenen Schlagbaum des Campingplatzes, die drei Kinder müde von der zweitägigen Fahrt, nur ein Platzwächter da, und ich ließ im Dorf nach dem Chef suchen …«
    Die Geschichte ging in etwa so: Peter hatte im ADAC-Heftchen von einem malerischen Campingplatz in Apulien gelesen, nur die Sache mit den Öffnungszeiten hatte er wohl überblättert. Also standen sie einigermaßen blöde vor der Schranke, und während Peter mit dem Aufpasser diskutierte, kümmerte sich seine Frau Maria um die quengelige Brut. Schließlich gab es damals noch keine tragbaren DVD-Player, geschweige denn iPads. Und als Massimo kam, der junge Campingplatzverwalter, der seinerzeit sicher die gleiche Frisur und dieselben Jeans getragen hatte wie heute, da öffnete er ihnen schließlich den Platz, allerdings nicht ohne darauf hinzuweisen, dass es erst eine Woche später Strom und funktionierende Duschen geben würde.
    »Hast du eine Ahnung, was dieser Campingplatz mit dieser Feier zu tun hat?«, flüsterte Toni zu mir rüber.
    »Wart’s ab, in spätestens einer Viertelstunde kommt die Pointe.«
    »… Und so verbrachten wir eine Woche im Paradies, einsam wie Robinson …« Peter senkte die Stimme, als würde er jetzt zur Sache kommen. Ich wusste, dass er seit geraumer Zeit an einer die Jahrhunderte umspannenden Familienchronik arbeitete. Und bei diesem Urlaub muss es sich um eine Art Gründungsmythos des letzten Familienzweigs handeln; eine Geschichte, die vom Aufbruch in ein fremdes Land erzählte, von Entbehrung und einer Sippe, die den kargen Umständen tapfer trotzt und sich dabei auf sich selbst besinnt. Der Treck gen Süden sozusagen, auf der Suche nach dem Glück.
    Toni klopfte mir krachend auf den Rücken: »Alter, da kannst du aber stolz sein auf deine neue Familie!« Bei Toni sind die Grenzen zwischen Aufrichtigkeit und Ironie traditionell fließend. Schwer zu sagen, wie er das gemeint hatte. »Die machen noch einen richtigen Kerl aus dir.«
    »Klar, aber einen mit Anti-Aging-Creme für die Augen im Gepäck.« Ich spülte einen doppelten Obstler runter.
    Für meinen Schwiegervater war es selbst mit dem Gehalt eines Biologieprofessors wohl die einzige Möglichkeit, mit seiner sechsköpfigen Familie jedes Jahr einen vierwöchigen Sommerurlaub zu finanzieren. Kinder – zumal seine – pfeifen auf Komfort, solange sie genügend Sonne und Sandspielzeug haben. Und Sepiana, so viel wurde während seiner Ausführungen klar, ist im Laufe der Jahrzehnte zu einer zweiten Heimat seiner Familie geworden. Dort kennen sie jeden, gelten schon fast als Einheimische. Und wenn ich mich nicht täusche, träumt er davon, dass wir eines Tages dort seine Asche ins Meer streuen.
    In Sepiana hatte Lena sich zum ersten Mal verliebt und ganz offensichtlich jedes Jahr aufs Neue: in irgendeinen anderen italienischen Surfer-Schönling. »Für uns war immer klar«, sagte Peter, »dass Lena irgendwann einen Italiener heiraten wird.« Er machte eine Pause und drehte sich lächelnd zu mir. »Aber jetzt haben wir ja dich, mein Lieber.«
    Großer Applaus. In diesem Moment schnipste Peter mit dem Finger und gab dem Kellner ein Zeichen. Daraufhin sang Eros Ramazzotti »Una terra promessa«, was so viel bedeutet wie »das gelobte Land«. Und während ich leicht erschauderte, sah Peter mir erwartungsfroh in die Augen. Er strahlte. Er glühte förmlich vor Freude. »… Und deshalb, mein lieber Junge – das darf ich ja jetzt zu dir sagen …« Seine Stimme drehte auf Fortissimo, überhaupt wurde sein Auftritt allmählich weihevoller als unsere vorherige Hochzeitszeremonie. »Und deshalb lade ich euch ganz herzlich zu einer Hochzeitsreise in unser wunderschönes Sepiana ein.« Er machte eine kunstvolle Pause, fummelte in der Innentasche seines Jacketts herum und kramte einen Schlüssel heraus. Ging einen Schritt auf mich zu, presste mich mit beiden Armen an seine Brust und überreichte mir den Schlüssel für den von Sagen umwobenen Wohnwagen mit dem sakralen Gestus eines Firmenpatriarchen, der seinem Sohn den 200-Mann-Familienbetrieb überträgt.
    »Jetzt biste einer von uns!«, jubelte Lena sofort.
    »Leckomat!«,

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