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Alles Boulevard: Wer seine Kultur verliert, verliert sich selbst (German Edition)

Alles Boulevard: Wer seine Kultur verliert, verliert sich selbst (German Edition)

Titel: Alles Boulevard: Wer seine Kultur verliert, verliert sich selbst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Vergnügen der Lektüre um das körperliche des Berührens und Streichelns bereichert.

Vorgeschichte
    Prüfstein
Mehr Information, weniger Wissen
    Nicholas Carr studierte Literatur am Dartmouth College und an der Harvard University, und alles deutet darauf hin, dass er in seiner Jugend gute Bücher nur so verschlungen hat. Dann entdeckte er, ein Kind seiner Generation, den Computer, das Internet, die Wunder der digitalen Revolution, und er verwandte nicht nur einen großen Teil seines Lebens darauf, von früh bis spät durchs Netz zu surfen, er wurde auch zu einem Profi und Experten für die neuen Informationstechnologien, über die er in angesehenen englischsprachigen Publikationen immer wieder schrieb.
    Eines Tages stellte er fest, dass er kein guter Leser mehr war, eigentlich gar kein Leser mehr. Sein Geist schweifte nach ein oder zwei Buchseiten ab, und wenn das, was er las, schwierig war und große Aufmerksamkeit und Mitdenken erforderte, machte sich in seinem Kopf eine Art Widerwille breit, diese geistige Tätigkeit weiter zu verfolgen. Er beschreibt es so: »Ich werde zappelig, verliere den Faden, schaue mich nach einer anderen Beschäftigung um. Es ist, als müsste ich mein launisches Gehirn immer wieder zu dem Text zurückschleifen. Das konzentrierte Lesen, das mir früher leichtfiel, wurde zu einem anstrengenden Akt.«
    Besorgt traf er eine radikale Entscheidung. Ende 2007ließen er und seine Frau ihr ultramodernes Equipment in Boston und lebten fortan in einer Blockhütte in den Rocky Mountains, wo es keinen Mobilfunk gab und das Internet mehr schlecht als recht funktionierte. Dort schrieb er zwei Jahre an dem polemischen Buch, das ihn berühmt gemacht hat: The Shallows: What the Internet is Doing to Our Brains (Wer bin ich, wenn ich online bin … und was macht mein Gehirn solange? Wie das Internet unser Denken verändert) . Ich habe es in einem Rutsch gelesen, und ich war so fasziniert wie erschrocken und traurig.
    Carr ist kein Abtrünniger der digitalen Welt, er ist nicht zu einem zeitgenössischen Maschinenstürmer geworden, der am liebsten mit allen Computern aufräumen würde, ganz und gar nicht. In seinem Buch erkennt er an, welchen außerordentlichen Beitrag Dienste wie Google, Twitter, Facebook und Skype zur Information und zur Kommunikation leisten, wie viel Zeit sie sparen, wie leicht eine ungeheure Zahl von Menschen Erfahrungen teilen können, welchen Nutzen das alles für Unternehmen, die wissenschaftliche Forschung und die wirtschaftliche Entwicklung der Völker bedeutet.
    Aber es hat seinen Preis, und letzten Endes bewirkt es eine so große Veränderung unseres kulturellen Lebens und unserer Denkstrukturen wie im fünfzehnten Jahrhundert Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks, der einem großen Publikum die Lektüre von Büchern ermöglichte, die bis dahin einer kleinen Minderheit von Geistlichen, Intellektuellen und Aristokraten vorbehalten waren. Carr verweist in seinem Buch immer wieder auf die Theorien des heute fast vergessenen Medientheoretikers Marshall McLuhan, der zunächst auf wenig Resonanz stieß, als er vor mehr als einem halbenJahrhundert behauptete, dass die Medien niemals bloße Träger eines Inhalts seien, sondern langfristig unsere Art zu denken und zu handeln bestimmten. McLuhan bezog sich vor allem auf das Fernsehen, aber Carrs Argumente und die zahlreichen Experimente und Belege, die er hierfür in seinem Buch anführt, deuten darauf hin, dass seine These in Verbindung mit dem Internet aktueller ist denn je.
    Die hartnäckigen Verfechter eines Lebens mit der Software führen an, dass sie ein bloßes Werkzeug ist, im Dienste dessen, der sie benutzt, und natürlich gibt es zahlreiche Experimente, die das zu bestätigen scheinen. Nur, es stimmt nicht, das Internet ist nicht nur ein Werkzeug. Es wird zu einer Erweiterung unseres Körpers, unseres Gehirns, welches sich seinerseits nach und nach an das neue System der Informationsbeschaffung und des Denkens anpasst und dabei die Funktionen aufgibt, die dieses System nun übernimmt und manchmal besser erfüllt als das Gehirn selbst. Es ist keine poetische Metapher, wenn man sagt, die »künstliche Intelligenz«, die ihm zu Diensten steht, besticht und erweicht unser Denkorgan, das so mit der Zeit abhängig von diesen Werkzeugen und am Ende ihr Sklave wird. Warum soll ich das Gedächtnis frisch und aktiv halten, wenn es schon komplett gespeichert ist in etwas, was ein Systemprogrammierer »die beste und größte Bibliothek der

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