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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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zu den beiden Faultürmen, ebenfalls rund, aber schmal und sichtbar höher als die beiden dicken. Eben diesen meinte Roland Mathis mit Turm ; Galba empfand das Brimborium etwas albern, sie waren allein im Labor, was Mathis zu sagen hatte, konnte er ihm auch hier mitteilen, aber der hatte sich schon zur Tür gewandt, Galba blieb nichts übrig, als ihm zu folgen. Später sollte er sichoft fragen, wie die Unterredung wohl verlaufen wäre, wenn sie im Labor geblieben wären. Und was Mathis mit diesem seltsamen Vorschlag, im Turm weiterzusprechen, wohl bezweckt hatte.
    Sie gingen am Betriebsgebäude 2 vorbei, umrundeten das Schlammsilo und überquerten den zweiten Hof. Es war inzwischen so dunkel, dass man noch den Vordermann erkannte, aber keine Zeitung hätte lesen können. Der Himmel hatte sich bezogen, die Luft stand still, es würde bald regnen, warm und leise, es roch nach Regen. Und nach der ARA roch es auch. Ein schwerer, süßlicher Dunst von den Belüftungsbecken her; ein Duft, der die Anwohner manchmal die Nase rümpfen, die Fenster schließen und Leserbriefe verfassen ließ – dass sie ihre Grundstücke eben wegen der geplanten ARA erheblich billiger gekriegt hatten, stand nicht in diesen Briefen der Häuselbauer, das vergaßen sie, dachte Galba und ärgerte sich wie jedes Mal, wenn ihm das Thema einfiel, ein Reflex.
    Mathis ging voran, Galba drei Meter dahinter, sie machten den Eindruck von Leuten, die einen gemeinsamen Weg haben, etwa zur Kantine, aber nicht so gut miteinander bekannt sind, dass sie sich bemüßigt fühlen würden, nebeneinander zu gehen und eine Unterhaltung zu führen. Mathis beschleunigte, Galba nicht, das fehlte noch, dass er diesem Spinner hinterherrannte, aber Mathis hatte das getan, um einen kleinen Vorsprung zu haben, so dass er die Tür im Turm aufschließen konnte, ehe sein Chef heran war. Fürchtete er den Satz: »Das ist weit genug, hier ist kein Mensch weit und breit, also, was willst du?« (Sie waren alle per du in diesem Betrieb.) Mathis öffnete die Tür, trat ein und machte Licht. Er ignorierte den Lift, nahm gleich die Betontreppe, die rund um den Liftschacht als Wendel nach oben führte.
    »Wie weit denn?«, rief ihm Galba nach, Mathis antwortete,Galba verstand nur »… nicht weit«, Mathis hatte sich nicht umgedreht, war schon hinter der ersten Biegung verschwunden. Galba seufzte und stieg hinauf. Was sollte das werden? Ein Gespräch auf einer der Verbindungsbrücken in fünfundzwanzig Meter Höhe? In freier Luft?
    Im dritten Stock wäre er fast in Mathis hineingelaufen. Der stand hinter der Ecke und wartete. Galba sah jetzt erst, dass der andere eine Kamera bei sich hatte.
    »Willst du Fotos machen?«, fragte er.
    »Hab ich schon. Schau.«
    Er ließ den Chef den Bildschirm betrachten. Galba beugte sich vor, das Ding war winzig, die Fotos alle monochrom, eine Art schmutziges Grün, aber trotz der Beschränkungen des Screens konnte man doch erkennen, was der Kollege Mathis da fotografiert hatte, sogar sehr genau erkennen, nicht nur, was die Leute taten, sondern auch, wer sie waren. Und das Grün passte dazu, musste sich Mathis eingestehen, es gab den Bildern ein Flair von Künstlichkeit; also keine primitive Pornographie. Pornographie mit Anspruch? Oder doch blanke Ironie, Sarkasmus oder so? Am besten fragen.
    »Warum sind die alle grün?«, fragte er.
    »Das geht nicht anders«, erklärte Mathis, »das ist der Restlichtverstärker, man kann auch keine anderen Farbtöne einstellen.« Nach einer Weile fügte er hinzu: »Aber man sieht ja, wer es sein soll.«
    »Ja, das sieht man«, bestätigte Galba. Kein künstlerischer Anspruch also, nur ein technisches Artefakt. Warum sollte ausgerechnet Roland Mathis auch unter die Fotokünstler gegangen sein?
    »Ich hab auch Papierabzüge«, sagte Mathis, »in DIN A4, aber nicht hier …«
    »Was?«
    »Ich meine, ich hab sie nicht mit, die Abzüge, aber ich kann dir Kopien …«
    »Nein, nein, lass nur, ich hab nicht richtig aufgepasst, ich hab nicht mitgekriegt, was du damit machen willst …«
    »Hab ich noch nichts drüber gesagt …«
    »… Ich meine, da gibt’s doch endlose Möglichkeiten. Du kannst das Zeug ins Internet stellen, auf so eine Plattform, wie heißen die Dinger …«
    »… YouTube … Daran hab ich noch gar nicht gedacht …« Er schien überrascht.
    »Genau! Oder als Mail verschicken. An den Bürgermeister. An alle Stadträte. An meine Frau, die hat einen eigenen Computer, die Adresse hast du sicher schon raus

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