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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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aufhören! Ich brauche einen Plan … nein, nein, keinen Plan. Pläne gehen schief. Dieses Spontane, Unüberlegte – vielleicht war das genau richtig: sich so zu verhalten wie die Mehrheit der Leute, nämlich blöd. Kindisch. Das war unverdächtig.
    Das Haus des Roland Mathis machte einen etwas heruntergekommenen Eindruck. Die Fassade hätte einen neuen Anstrich vertragen, der Garten war verwildert. Eine Wiese mit drei Apfelbäumen, das Laub vom Vorjahr lag auf dem Rasen, neben dem Komposthaufen ein großer Plastiksack mit Laub; Mathis hatte wohl mit dem Zusammenrechen und Verstauen begonnen und dann die Lust verloren, es kam ja immer neues Laub dazu bis zum ersten Schnee. Der Sack war umgefallen, der Inhalt zur Hälfte verstreut. Es gab ein großes Beet mit halbmeterhoch gewachsenen Stauden. Kraut, das niemand geerntet hatte.
    Weiß läutete.
    Wenn er, dachte Galba, jetzt rauskommt, krieg ich einen Herzinfarkt. Eine unsinnige Idee, gefährlich, verräterisch. Ich werde mich verraten, dachte er, es kann nicht anders sein, ich bin nicht gebaut für so was … Ich werde …
    »Was ist so komisch?«, fragte Weiß.
    »Wieso?«
    »Du grinst.«
    »Mach ich immer, wenn ich nervös bin. Heißt nicht, dass ich etwas lustig finde …«
    »Hast du früher nicht gemacht …«
    »Hat sich viel geändert gegenüber früher …«
    Nach dem dritten Läuten gingen sie ums Haus herum. Die Kellertür war abgesperrt. Weiß schlenderte zum Auto, wo das Paar wartete, redete mit den beiden.
    »Was passiert jetzt?«, fragte ihn Galba, als er wiederkam.
    »Der Schlosser ist unterwegs. – Was meinst du damit, dass sich viel geändert hat gegenüber früher?«
    »Was? Ach so … na ja, ich fühl mich manchmal …« (Was sag ich jetzt bloß, was sage ich? Nicht denken! Nicht den Schlaumeier spielen, das geht schief!) »… so gestresst. Ichmeine, Stress gab’s immer, aber ich komm nicht mehr so gut damit zurecht …«
    »Hast du viel Stress in letzter Zeit? Mehr als sonst?«
    »Geht so.«
    »Warum?«
    Was sollte das heißen? Er hatte die Frage nicht bejaht, er war ausgewichen mit ›geht so‹. Warum also ›warum‹? Das gab keinen Sinn. Oder doch. Denn fast hätte er tatsächlich ›ja‹ gesagt, im letzten Moment abgebogen in dieses wachsweiche ›geht so‹. Und Weiß hatte das ›ja‹ herausgehört, der ist geschult in solchen Dingen, muss er ja sein, er hat das Talent dazu, verfluchte Scheiße! Wie wird einer sonst zum … wie hieß das? … Revierinspektor. Und Vizechef? Das kommt davon, wenn man die Polizei für blöd hält, jeder tut das, eine Abwehrreaktion, eine Kompensation, und was wird kompensiert? Die Angst. So ist das. Die Angst, dass alles rauskommt bei der Polizei. Sag doch gleich ›ja‹. Ja, ich hab Stress seit vorgestern. Warum? Weil ich den Roland Mathis die Treppe runtergeschubst habe, dabei ist er leider verstorben, der Mathis, und weil ich dann … Schluss damit, hör auf! Sofort!
    »Warum?«, fragte Weiß noch einmal.
    »Warum was?«
    »Warum du mehr Stress hast.«
    »Ich hab nicht mehr Stress. Ich hab gesagt, ›geht so‹.«
    »Ja, ja, aber das sagt man, wenn man den Leuten nicht mit den eigenen Problemen auf die Nerven gehen will. Es ist Höflichkeit. Heißt in Wahrheit: ja! Darum frag ich.«
    »Betrieblich«, sagte Anton Galba, »der Sandfilter …«
    »Ach so, der Sandfilter …«
    »Und ein Haufen andere Sachen … Manchmal kommt alles zusammen.«
    »Ja, das tut es«, antwortete Chefinspektor Weiß mit ernster Stimme. Ein Auto bog in die Einfahrt. Aus dem Auto stieg der Schlosser.
    Die Wohnung war leer, was Galba nicht überraschte, aber auch Weiß nicht zu überraschen schien. Der ging durch alle Räume, Galba immer hinterher, die Hände auf dem Rücken, um nicht versehentlich etwas zu berühren, denn die Polizei würde ja zurückkehren und nach Fingerabdrücken suchen. Das dachte er sich so. Das konnte nicht anders sein. Wenn erst die Suche erfolglos geblieben sein würde; die Suche, die sie nun beginnen würden. Nachdem Mathis nicht wieder auftaucht. Was sollten sie sonst tun?
    Das Haus zeigte jene Zeichen der Verwahrlosung, die auf einen männlichen Bewohner deuten. Einen alleinstehenden männlichen Bewohner. Es roch muffig. Überall. Das Klo war sauber geputzt, erst vor kurzem.
    »Das ist oft so«, sagte Weiß. »Sie raffen sich auf, einen Raum zu putzen. Das Klo, das Bad oder die Küche. Oder den Hof aufzuräumen, irgendwas. Aber nie das ganze Haus. Das geht einfach nicht. Wenn ein Raum sauber ist, der

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