Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
Morgens traf sie
im Hot Pot auf einen amerikanischen Touristen. »Was machen Sie beruflich?«, fragte er. »Ich bin Präsidentin«, antwortete sie.
»Aha, und von welcher Firma?« – »Von Island.« Der Amerikaner war sprachlos und lief rot an.
Das zentral gelegene Vesturbæjarlaug in Reykjavík mit den 2 5-Meter -Bahnen hat etwas Gemütliches. Hier trifft sich die Nachbarschaft, zu der prominente Schauspieler, Musiker und Präsidenten
zählen. Doch da die Isländer Ruhm nicht so ernst nehmen – jeder ist ja der Beste in irgendetwas –, wird kein Aufhebens darum gemacht. Und so ziehen sie relaxt ihre kurzen Bahnen, oft neben älteren Herren, die lautstark
wie Walrösser schnaufen.
Für mich sind die ersten 250 Meter die Aufwärmphase, viele Reykjavíker schwimmen lediglich diese Strecke und entspannen dann in einem der vier Hot Pots.
Die Tafeln am Rand geben die ungefähren Temperaturen an, der wärmste erreicht 44 Grad, darin kribbelt der ganze Körper, die meisten Isländer knubbeln sich aber im 3 8-bis -4 0-Grad -Pott. Dort hocken sie manchmal zuacht, dicht gedrängt, plaudern, schauen gen Himmel oder schließen einfach die Augen. Einige machen erst gar nicht den Umweg
ins Schwimmbecken, sondern hüpfen schnurstracks in die runden Wannen.
Das berühmteste und größte Bad Islands ist die Bláa lónið, die Blaue Lagune. Der See liegt inmitten eines Lavafeldes, rund
15 Kilometer vom internationalen Flughafen Keflavík entfernt; es wird aus dem verbrauchten Heizwasser des benachbarten Geothermalkraftwerkes
gespeist. Im Abwasser zu schwimmen hört sich nicht sehr prickelnd an, doch das Gemisch aus sechsMillionen Liter Salz- und Meerwasser ist sauber und sehr mineralhaltig. Kieselerde, Mineralsalze und Algen sorgen für die
bläuliche Farbe und das milchig weiche Badegefühl – so mancher wähnt sich in einem riesigen Bad der Cleopatra. Nun gut, man
muss die angetrunkenen oder knipsenden Touristengruppen ausblenden, doch auf dem weitläufigen Gelände findet jeder einen Ruheplatz.
Wenn dann in der 37 bis 39 Grad Celsius warmen Lagune noch die Sonne die Wasseroberfläche glitzern lässt und der Dampf aufsteigt, kommt die Entspannung
von ganz alleine.
Körperpflege nach Anleitung.
Auf Isländisch, Englisch, Dänisch, Deutsch und Französisch wird ergänzt:
»Alle Gäste müssen sich mit Seife ohne Badeanzug waschen, ehe sie in das Schwimmbad gehen. Danke.«
Die Badebetreiber wissen um die Besonderheit ihres »Spas« – und nutzen es vielfältig. So offerieren sie den Gästen am Beckenrand
blaue Drinks, man kann auf einer Matratze treibend im See massiert werden; kostenlos und für jeden zugängig, ist im Bad eine
weiße, mineralreiche Paste mit Peeling-Effekt. Das Wasser soll für Allergiker mit Hautproblemen eine heilende Wirkung haben.
Insbesondere Schuppenflechte-Patienten werden in der angrenzenden Klinik behandelt, aber auch für den normalen Besucher ist
der Ausflug eine wohltuende Mini-Kur.
Anna G. Sverrisdóttir war früher Geschäftsführerin der Blauen Lagune, bis heute ist sie dem feuchten Element treu geblieben. Seit
einigen Jahren arbeitet die Isländerin unter anderem für die Non-Profit-Organisation Vatnavinir, Wasserfreunde. Diese will
den nachhaltigen Tourismus in ländlichen Regionen fördern. »So lenken wir die Aufmerksamkeit auf neue Plätze, die viele Besucher
sonst wohl nie entdecken würden«, sagt die sechzigjährige Anna. Denn in jedem Reiseführer findet sich die Blaue Lagune, doch
nur wenige Touristen wissen um die Schönheit der vielen Dorf-Schwimmbäder. Und so kamen befreundete Architekten, Designer,
Philosophen und Marketing-Experten eines Tages auf die Idee, Vatnavinir zu gründen. Sie erstellten eine Landkarte, auf der
nicht nur die klassischen Bäder vermerktsind, sondern auch kleine Pools und einige natürliche Quellen. Anna und die anderen wollen das »Wellness Country Iceland«
aufbauen: Zu ihren Pilotprojekten gehören elf verstreut liegende Bäder und Quellen in den Westfjorden, die teilweise saniert
oder umgebaut werden sollen. Architektin und Vatnavinir-Mitgründerin Olga und ihr deutscher Kollege Jörn entwarfen Skizzen,
wie die traditionellen Badeorte ein neues Design bekommen können.
Hot-Pot-Schnitzeljagd
Anna nimmt mich mit auf eine Tour von Reykjavík in die Westfjorde. Standesgemäß fährt sie in einem gut beheizten Jeep entlang
der weit ins Land ragenden Fjorde durch die herbstlich
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