Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
das nicht zu eisig? »Nein, nein«, rufen sie. »Das ist super«, sagt eine andere
Isländerin und fügt hinzu: »Wir sind eben richtige Wikinger-Frauen.« Danach springen aber auch sie zum Aufwärmen in die Sauna
des nahe gelegenen Fitnessstudios.
»Wenn der Ozean dich umarmt, findest du zurück zu dir selbst«, sagt Margrét H. Blöndal. »Das Meer wird dein Freund.« Mit diesen Beschreibungen machte die Künstlerin auch mich einst neugierig. Die Reykjavíkerin
schwimmt regelmäßig mit Freunden beim Leuchtturm Grótta, dort ist morgens kaum etwas los, und so teilen sie sich das Meer
nur mit einigen Seerobben. Margrétfindet es faszinierend, dass der Nordatlantik nie gleich ist, sie fühlt sich nach dem Bad wie neugeboren, es klärt ihren Kopf.
Wie nach einer langen Wanderung im Hochland oder beim Yoga, nur dass sich das Hochgefühl innerhalb von zehn Minuten einstellt.
Das Bad im Meer ist im Prinzip »Instant-Yoga«.
Ich probiere mein Glück im Herbst am Strand von Nauthólsvík, jener exotischen Bucht in Reykjavík. Die Wassertemperatur: zehn
Grad Celsius. »Es ist richtig heiß heute«, sagt Árni, der verantwortlich für den Strand und das dazugehörige Steinhaus mit
den Umkleidekabinen ist. »Die kälteste Wassertemperatur, die wir vergangenen Winter hatten, war 1,8 Grad unter null, bei einer Lufttemperatur von minus zehn.« Er zeigt Fotos mit Schwimmern zwischen Eisschollen.
»Wikingerfrauen« und vereinzelter Mann beim Meerschwimmen in Ólafsvík
So romantisch die Erzählungen der Isländer auch klingen, sie alle wissen, dass es gefährlich sein kann. Deshalb trägt sich
in Nauthólsvík jeder in ein Gästebuch ein, bevor er ins Meer geht. Damit die Schwimmer gut zu sehen sind, ziehen sie sich
leuchtend blaue oder orangefarbene Kappen über. Man kann leicht einen Krampf bekommen, niemand sollte allein schwimmen gehen,
Menschen mit Herzbeschwerden müssen es lassen.
»Wichtig ist, die ersten beiden Minuten durchzuhalten. Danach wird es leichter«, sagt Urður Gunnarsdóttir. Genau diese zwei
Minuten haben es dann aber in sich, sie kommen einem vor wie eine Ewigkeit. Würde ihr Kollege Jónas mir nicht wie ein Mantra
»Ruhig atmen. Ganz ruhig atmen!« einflüstern, wäre ich vermutlich bald geflüchtet.
Jónas und Urður arbeiten im Außenministerium, sie gehören zu einer Gruppe, die jeden Mittwoch zur Mittagszeit im Nordatlantik
schwimmen geht. Scherzhaft nennen sie sich »Marbendlar« – das ist der Name eines Monsters, das, so will es die Sage, in den
Tiefen des Meeres lebt und manchmal Menschen dorthin lockt. Heute konnten sie außer mir noch zwei andere Kollegen ködern.
»Wir sind schon fünf Minuten im Wasser«, muntert Jónas mich auf. Mein Körper ist immer noch taub, fühlt sich an wie Watte.
Ich habe das Gefühl, auf der Stelle zu schwimmen. Das salzige Wasser schwappt mir ins Gesicht, es ist windig. Immerhin klappt
das Atmen mittlerweile wieder gut. Nach acht Minuten steigen wir stolz aus dem Atlantik. (Hartgesottene bleiben eine halbe
Stunde oder länger im Meer.) Unsere Körper sind knallrot. Einer der Kollegen besteht noch auf Gymnastik, also hüpfen wir am
Strand auf und ab. Wir glühen jetzt und entspannen uns danach im Hot Pot, der bei Nauthólsvík die Größe einesPlantschbeckens hat. Noch am Abend spüre ich die frische Luft in meinen Lungen, bin euphorisch und habe so viel Energie, dass
ich am liebsten direkt noch mal in den Atlantik springen will. Die Isländer glauben, das Leben verändere sich, wenn man einmal
im Meer schwimmen war. Oder wie die Künstlerin Margrét sagt: »Es ist wie eine neue Liebe, du musst sie immer wieder treffen.«
Von Islandpferden und Bratpfannen
Diese Liebe macht einem Mut, Neues auszuprobieren – oder wie andere Meerschwimmer sagen: Wer das überlebt, übersteht alles.
Hätte ich das Baden im Meer früher ausprobiert, wäre meine erste nähere Bekanntschaft mit den Islandpferden sicher anders
verlaufen.
Zwei Jahre zuvor ergab sich die Gelegenheit, einen Ausritt zu machen. Islandpferde gelten als gutmütig und genügsam, sie sollen
auch für unerfahrene Reiter prima geeignet sein. Im Ausland ist die Pferderasse ebenfalls sehr beliebt, allein in Deutschland
gibt es über 60 000, fast so viele wie in Island. Einmal außer Landes gebracht, dürfen die Tiere allerdings nie wieder in ihre Heimat zurückkehren.
Da viele behaupten, man habe Island nur erlebt, wenn man es einmal vom Rücken
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