Alles Gold der Erde
einen Menschen zu binden.« Sie blickte auf und erklärte beinahe wütend:
»Ich wünsche keine gutgemeinten Zudringlichkeiten. Ich will keine Übergriffe auf … na, auf mich.«
Sie schwieg, als sei sie über ihre eigene Offenheit bestürzt. Pocket begriff, daß sie ihm noch nicht alles gesagt hatte. Er wartete ab.
Nach einer Pause sprach sie weiter:
»Vielleicht können Sie das nicht verstehen. Aber ich habe so lange und so schwer um meine Freiheit kämpfen müssen. Jetzt bin ich frei, und die Freiheit ist mein kostbarster Besitz. Ich kann alles andere aufs Spiel setzen, nur sie nicht. Noch vor ein paar Minuten habe ich geglaubt. Ihr Geld lohne das Risiko. Aber in dem Moment, als Sie es mir angeboten haben, wußte ich auch schon, daß es nicht geht. Nie wieder lasse ich mich in eine Form pressen. Ich habe meine eigene Form. So, jetzt wissen Sie es.«
Pocket erwiderte zunächst nichts. Er betrachtete sie nun mit einer Zärtlichkeit, die anders war als jene, die er bislang gezeigt hatte.
Liebevoll sagte er zu ihr:
»Marny, ich habe etwas an mir, das Ihnen einfach nicht in den Kopf hinein will. Legen Sie doch mal die Karten fort, und lassen Sie es mich erklären.«
Verdutzt legte Marny tatsächlich die Karten fort. Pocket nahm sie bei der Hand und führte sie zu ihrem Stuhl zurück. Sie gab nach, zögernd zwar, aber sie gab nach und setzte sich. Pocket ging um den Tisch und setzte sich ebenfalls. Dann sprach er in ernstem Ton:
»Marny, ich habe schon viele Menschen über die Liebe reden hören. Sie scheinen jedoch unter Liebe etwas anderes zu verstehen als ich. Sie sagen: ›Ich liebe dich, also mußt du tun, was ich von dir verlange.‹ Das verstehe ich unter Liebe nun ganz und gar nicht. Ich meine dies: ›Weil ich Sie liebe, möchte ich, daß Sie das tun, was Sie tun möchten.‹«
Wieder wurde es für eine Weile still zwischen ihnen. Marny nahm ihr Kinn in die Hand und sah ihm ins Gesicht. »Ich glaube Ihnen nicht.«
»Und weshalb nicht?«
»Weil es auf der Erde keinen Menschen gibt, der so handeln könnte.«
»Doch, es gibt einen«, erwiderte Pocket. »Nämlich mich.« Sie schüttelte ihren Kopf.
»Ich sage es noch einmal: Ich möchte, daß Sie das tun, was Sie tun wollen. Ich will Sie nicht ändern. Ich möchte nicht, daß Sie so werden wie ich. Ich wünsche, daß Sie so bleiben, wie Sie sind. Das ist ein gewaltiger Unterschied.«
Marny reckte sich hoch und schlug auf den Tisch. »Und was für ein Unterschied!«
Dann zog sie die Schultern in die Höhe und ließ sie wieder sinken, als sei ihr nun eine Bürde abgenommen worden. Schließlich sagte sie langsam und offenherzig:
»Pocket, schon viele Menschen haben mir gesagt, sie liebten mich. Meine Verwandten, meine Lehrerinnen, all diese feinen Leute in Philadelphia. Sie haben behauptet, sie liebten mich. Und dann haben sie mir den Beweis dadurch geliefert, daß sie mich fast in den Wahnsinn getrieben hätten. Vom Morgen bis in die Nacht hinein wollten sie mich ummodeln. Sie begriffen nicht, daß ich anders war als sie und ihnen gar nicht ähnlich sein konnte. Ich konnte meine Natur ebensowenig ändern wie die Farbe meiner Augen. Ich habe versucht, sie zu besänftigen.« Pocket hörte ihr aufmerksam zu. Er unterbrach sie nicht. Er verstand, daß sie von Dingen sprach, die sie seit langer Zeit innerlich quälten, und daß es für sie eine Erleichterung war, endlich einmal darüber zu sprechen.
»Ich habe versucht, sie zu besänftigen«, wiederholte Marny.
»Alles, was ich angepackt habe, war falsch. Heute lache ich darüber, aber es war eine schmerzliche Kindheit und Jugend. Ich konnte mir noch so große Mühe geben, es war alles verkehrt. Immer war ich im Unrecht. Schließlich habe ich aufgegeben.«
»Und gerade noch zur richtigen Zeit«, meinte Pocket verständnisvoll. Sie lächelte ihm dankbar zu. Pocket lächelte auch. »Aber ich sage Ihnen doch ein ums andere Mal, daß ich nicht an Ihnen herummodeln will. Ich liebe Sie doch. Wenn Sie sich ändern würden, wären Sie ja ein anderer Mensch, den ich nicht mehr lieben könnte. Verstehen Sie denn jetzt?«
Marny fragte verwundert:
»Soll ich mich denn überhaupt nicht ändern?«
»Nein«, entgegnete Pocket.
»Wo würden wir denn wohnen?«
»Einer meiner Mieter plant einen Hotelneubau. Das Haus soll noch luxuriöser werden, als das Union Hotel je gewesen ist. Er könnte ein Suite für uns einrichten. Sie müßten sich allerdings um das Mobiliar kümmern, denn davon verstehe ich nichts. Um
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