Alles Gold der Erde
war (und Alex wußte dies ebensogut wie Eva), daß sie diese Heirat auch dann nicht hätten verhindern können, wenn sie es gewollt hätten. Amerikanische Frauen waren in Kalifornien solche Raritäten, daß sie anstellen konnten, was ihnen beliebte. Wenn ein Armeetrain sich Sutters Fort näherte und es sich herumsprach, daß ein Mädchen mit von der Partie war oder eine Frau, der die Indianer unterwegs den Mann getötet hatten, dann stürmten die Männer zu den Wagen und machten Heiratsanträge, bevor sie noch die Zeit fanden, ihren Hut abzunehmen. Auch verheiratete Frauen taten, was sie wollten. Fast jede Woche las man in der Zeitung von einem wütenden Ehemann, dessen Frau Tisch und Bett verlassen hatte. In den älteren Gemeinden des Ostens wäre eine solche Notiz einer Ächtung der betreffenden Frau gleichgekommen. Hier dagegen bedeutete derlei lediglich, daß sie von nun an mit einem anderen Mann zusammen lebte, der ihr besser gefiel. Und damit hatte es sich.
Wenn Ted und Kendra heiraten wollten, brauchten sie nur in das Büro des Alcalden zu gehen und es ihm zu sagen. Alex und Eva gestanden sich dies ein. Was sie sich nicht ganz so offen eingestanden, war eine gewisse Erleichterung, die sie beide empfanden. Eva war nun einmal keine mütterlich veranlagte Frau. Als Alex sie gebeten hatte, ihre beiden Söhne in New York zurückzulassen und ihm nach Kalifornien zu folgen, war dies kein großer Schmerz für sie gewesen. Sie hatte ihre Jungen gern, Alex indessen liebte sie. Was Kendra anging, so hatte Eva ihretwegen immer ein schlechtes Gewissen gehabt – und mehr als ein schlechtes Gewissen hatte sie auch jetzt nicht. Sie und Alex waren froh, daß Kendra einen passenden jungen Mann heiratete.
Folglich sagte Eva:
»In Ordnung, Kendra.« Und nachdem sie ihrer Tochter noch einige gute Ratschläge über jene Dinge erteilt hatte, die eine Braut wissen sollte (Kendra lachte: Das hört sich an, als ob eine Lehrerin französische Verben erklärt), fügte Eva hinzu: »Ihr heiratet bei uns daheim. Ihr beide, du und Ted, könnt im Haus bleiben, bis ihr die Stadt verlaßt.«
Kendra wäre es durchaus recht gewesen, die Hochzeitsnacht in dem Planwagen zu verbringen, den Ted für die Reise nach Shiny Gulch gekauft hatte, aber sie freute sich doch, daß die Angelegenheit nun so geregelt wurde. Mit seinen hübschen Vorhängen, Teppichen und Polsterstühlen war das Haus ein lauschiges Nest für Flitterwöchner. Ihre Ehe würde beginnen wie die einer Braut in New York oder in Baltimore.
Aber danach würde ein Abenteuer seinen Anfang nehmen, das noch keiner Braut aus New York oder aus Baltimore bevorgestanden hatte. Auf denn ins Land der goldenen Flüsse!
9
Diese Tage in dem kleinen Haus der Stockton Street vergingen wie in einem Traum. Kendra und Ted liebten einander, und nun redete er auch nicht mehr von seinen Zweifeln. Kendra war noch nie so froh gewesen. Endlich bedeutete sie einem Menschen etwas.
Ted und sein Partner Ning wollten aufbrechen, ehe zu viele Leute sich in den Goldfeldern tummelten. Kendra kaufte Sonnenhüte und derbe Schuhe, in denen man über Felsen kraxeln konnte, sowie Löffel aus Horn, die – so wußte Ning zu berichten – am besten geeignet seien für Mahlzeiten im Freien. Ning sagte ihr, daß man solche Löffel eigentlich ständig brauche. Man konnte mit ihnen Goldsplitter zusammenscharren, beim Essen diente der Stiel zum Aufspießen des Specks, und sie ließen sich zum Wenden von Pfannkuchen verwenden.
Mr. Chase verkaufte ihr diese Gegenstände mit einem nachsichtigen Lächeln. Er war überzeugt, daß sie und Ted dieser Narretei bald überdrüssig sein und in die Stadt zurückkehren würden. Mr. Fenway warnte sie vor den Wilden, die in den Wäldern hausten: Das sei ein ganz elendes und sündhaftes Pack. Doch Mr. Chase meinte:
»Jagen Sie ihr doch keine Furcht ein. Alle jungen Leute müssen ein bißchen über die Stränge schlagen, bevor sie zur Ruhe kommen.«
Kendra lachte beide aus, Ted liebte und begehrte sie, und – was wichtiger war – er brauchte sie. Er sprach von den Männern in den Goldfeldern, die aus lauter Ungeduld, schnell reich zu werden, sich nicht einmal die Zeit zum vernünftigen Essen nahmen. Sie versuchten, sich von Speck und Mehlklößen zu ernähren, und jammerten dann über Bauchschmerzen.
»Aber ich brauche mir ja keine Sorgen zu machen. Ich habe jetzt die beste Köchin von Kalifornien«, sagte Ted.
Ning kam zum Essen, und auch er meinte, Kendra werde sehr nützlich
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