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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano
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von der Brücke kennen und ihr genaues Entgelt.«Schade», dachte ich. Und ohne den Blick von der Frau abzuwenden, dachte ich zugleich auch an den Brief, den ich in der Tasche trug.

    «Sie»hätte gelacht. Wir hatten immer miteinander gelacht über«gewisse Eventualitäten», da wir sie für imaginär hielten. Kann man einen Mann daran hindern, seine Wünsche zu befriedigen, wenn diese, flüchtig, wie sie sind, keine Spur hinterlassen? Wenn ich zurückkäme, würde sie mich fragen:«Na und, sind die Frauen da unten wirklich so schön?», aber sie würde keine Antwort erwarten, als wäre das Thema bereits besprochen und belanglos. Und es war auch kein Betrug, sondern eine Huldigung an die endlose Langeweile des Exils.
    Ich suchte meine Sachen zusammen und winkte ihr einen Gruß zu. Sie lächelte mich dankbar an, weil ich ihr diese so wunderbare Seife überließ. Ich hatte noch nicht die ersten Schritte getan, als die Frau bereits anfing, sich anzukleiden. Das ging sehr einfach vor sich: Zuerst musste sie sich einen langen offenen Rock anziehen und sich dann in eine weite Baumwolltoga wickeln. Sie war noch genauso gekleidet wie die römischen Frauen, die nach dort unten oder sogar bis an die Grenze zum Sudan gekommen waren im Gefolge der Löwenjäger oder der Prokonsuln.«Schade», sagte ich,«dass wir in so verschiedenen Zeiten leben!»Sie kannte vielleicht alle Geheimnisse, die ich, ohne ihnen auf den Grund zu gehen, als eine erbärmliche Hinterlassenschaft abgelehnt hatte,
um mich mit langweiligen und erklärten Wahrheiten abzufinden. Ich suchte die Weisheit in den Büchern, aber sie besaß sie in den Augen, die mich seit zweitausend Jahren ansahen wie das Licht der Sterne, das so lange Zeit braucht, um von uns wahrgenommen zu werden. Es war dieser Gedanke, glaube ich, der mich festhielt. Und ich konnte einem Bild auch nicht misstrauen.
    Ich beobachtete sie. Sie war im Begriff, sich den langen Rock überzuziehen, und einen Augenblick lang verschwand ihr Kopf im Baumwollstoff, und es blieb dieser nackte Körper, dieser Busen, der Mühe hatte, sich durch die Gürtellinie zu zwängen, und von ihren Händen angehoben werden musste. Ich kehrte um, nahm die Toga, die sie sich gerade umwickelte, breitete sie am Boden aus und zwang die Frau, sich darauf zu setzen.
    Sie stieß mich zurück, als ich sie berührte, und wollte aufstehen. Sie machte ein finsteres Gesicht. Ich setzte sie grob wieder hin, das gleiche Fieber wie vorher hatte mich befallen, und sie stieß mich mit Entschlossenheit zurück, doch mein so schlecht zum Ausdruck gebrachtes Verlangen beleidigte sie nicht: Sie machte daraus keine Frage der guten Sitten und der Schicklichkeit. Sie stieß meine Hände zurück, denn so hatte Eva die Hände Adams zurückgestoßen in einer ähnlichen Waldung. Oder vielleicht um den Wert
des Unternehmens zu erhöhen, denn das Zurückstoßen ist eine Phase des Spiels, oder weil sie Angst hatte. Doch Angst wovor? Es war gewiss nicht die Angst, vergewaltigt zu werden, sondern jene tiefere Angst der Sklavin, die dem Herrn nachgibt. Sie musste ihren Teil am Krieg bezahlen, den ihre Männer verloren. Oder machte ich vielleicht allzu spitzfindige Überlegungen? Diese Seife der italienischen Armee… War es nicht nur die Furcht, dass ich sie nicht belohnen würde?
    Ich hatte zwei Silbermünzen in der Tasche. Ich legte sie ihr auf die Handfläche. Aber das war es nicht. Sie schien sehr versucht zu sein, sie zu nehmen, und doch gab sie sie mir zurück. Es war irgendetwas, das ich nicht begriff. Der Hass auf die«Herren», die vielleicht ihre Hütte zerstört, ihren Mann getötet hatten? Die Furcht, hier überrascht zu werden von irgendeinem Bewohner des Dorfes, das sie mir gezeigt hatte? Ich ließ sie aufstehen und führte sie ins Dickicht der Bäume. Sie folgte mir gehorsam, doch sobald ich wieder versuchte, sie anzufassen, begann ihr langsamer und zäher Widerstand. Sie wehrte sich höflich, ohne davon überzeugt zu sein und - ich wage es zu sagen - während sie an etwas anderes dachte.
    Ich fragte sie, ob sie verheiratet sei; ich wusste, wie man dies fragt. Sie schüttelte heftig den Kopf. Welches Hindernis stellte sich dann meinen ziemlich
gerechten Wünschen in den Weg?«Los, Schwester, nur Mut, die biblische Szene hat schon allzu lange gedauert!», sagte ich. Aber ich fing an, uns nicht mehr zu begreifen, und ließ sie los. Sie beging die Unvorsichtigkeit zu lächeln, und ich nahm sie wieder, und wieder wehrte sie sich.
    Vielleicht

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