Alles ist mir nicht genug
den
Koffer zurück und ließ die Schnallen zuklappen. Er stand auf und lief zum
Aufzug, dessen Türen sich in diesem Moment schlössen. Gerade noch rechtzeitig
konnte er den Gitarrenkoffer da- zwischenrammen, worauf sie wieder aufgingen.
Ein kleines
lockiges Mädchen mit imposanter Obeiweite lehnte an der Rückwand.
»Hey.« Flow
trat in die Kabine und warf ihr sein legendäres scheues Lächeln zu.
Das Mädchen
sagte nichts. Es sah ziemlich verheult aus.
»Musst du
Richtung Downtown?«, fragte Flow. »Mein Wagen wartet draußen. Ich könnte dich
mitnehmen. Vielleicht hast du ja auch Lust, noch irgendwo was trinken zu gehen.«
Jenny starrte
weiter auf den Boden. Flow, Nate - sie waren alle gleich. Nur weil der Typ
superberühmt war und super aussah, musste sie noch lange nicht mit ihm reden, oder?
Nein,
natürlich nicht.
Es gab einen
Ruck, als der Fahrstuhl unten ankam. Die Türen öffneten sich. »Lass mich bloß
in Ruhe«, zischte Jenny.
Sie ging durch
die gläserne Drehtür nach draußen, stellte sich an den Straßenrand und winkte
nach einem Taxi. Eben hatte es Mitternacht geschlagen, und ganz New York war
eine einzige große Silvesterparty, aber Jenny würde nach Hause fahren und
ausnahmsweise mal einen Rat ihres Vaters befolgen: sich ins Bett kuscheln und
ein gutes Buch lesen.
Kaum waren
Serena und Aaron nach draußen getreten, explodierte rings um sie herum das
Feuerwerk. Es war schweinekalt und auf der Terrasse hielten sich nur ein paar
Leute auf. Alle Übrigen gössen sich drinnen gegenseitig Champagner über die
Köpfe und zuckten losgelöst zur Musik, die der DJ noch lauter aufgedreht hatte.
Als Serena auf
das psychedelische Panorama blickte, spürte sie wieder dieses Gefühl in sich
aufsteigen - ihr Lieblingsgefühl -, das sie immer bekam, wenn sie nicht genau
wusste, was als Nächstes passierte, aber ahnte, dass es etwas Gutes war.
Vielleicht sogar besser als alles, was sie bisher erlebt hatte.
»Wow! Guck
mal!« Sie deutete in den Himmel. Ein großer blauer Ball raste in die Höhe und
erblühte ploppend zu einer riesigen Blüte, deren Blätter Sekunden später Funken
sprühend über dem East River explodierten.
Aaron zündete
sich eine Kräuterzigarette an. Er trug nur sein T-Shirt, trotzdem war ihm nicht
kalt. »Eigentlich war ich ja immer gegen diese Silvesterballerei«, sagte er.
»Na ja, die Dinger sind arschlaut, schlecht für die Umwelt und eine Riesengeldverschwendung.«
»Aber du musst
schon zugeben, dass es geil ist, oder?« Serena drehte sich zu ihm um. Sie hatte
sich eine Schaffelljacke geliehen, die herrenlos über einer Stuhllehne hing,
war aber nach wie vor barfuß. Sie und Aaron waren wirklich ganz genau gleich
groß.
Aaron nickte.
»Extrem geil.«
»Find ich
auch.« Serena zitterte. Vielleicht lag es an der Kälte, vielleicht aber auch
daran, dass sie sich gleich küssen würden.
Aaron griff
nach ihrer Hand. »Hey, ist dir kalt?«
»Geht schon.«
Seine
Mundwinkel vertieften sich zu einem Lächeln. »Das mit dem Kuss machen wir erst,
wenn das Feuerwerk vorbei ist, okay?«
»Okay.« Serena
war überrascht. Und sie liebte nichts mehr als Überraschungen. Über dem Times
Square entlud sich donnernd die nächste farbenprächtige Kaskade aus Licht und
Feuer. »Obwohl ich nicht weiß, ob ich es so lange aushalte.«
So sind
Kolibris nun mal. Wenn sie eine Blüte gefunden haben, an der es sich eine Zeit
lang aushalten lässt, wollen sie auch landen.
»Wozu
warten?«, sagte eine weibliche Stimme. »Ihr könnt ja hinterher noch
weitermachen.«
Es war Blair,
die nur ein paar Meter entfernt stand und am ganzen Körper bibberte, obwohl sie
sich fest in ihren himmelblauen Kaschmirmantel von Marc Jacobs gewickelt
hatte.
»Fröhliches
neues Jahr!« Sie trat auf Aaron zu und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
Aaron umarmte
sie so unverkrampft und normal, wie es unter Geschwistern üblich ist.
»Fröhliches neues Jahr, Sis.«
Blair löste
sich von ihm und warf sich in Serenas Arme.
»Happy
New Year!«, kreischten beide und drückten sich, so fest sie konnten. Kaum zu glauben, dass
sie sich vor kurzem noch fast an die Kehle gegangen wären. Jetzt konnten sie
nicht mehr ohne einander leben.
»Okay«,
verkündete Blair. »Und jetzt dürft ihr euch küssen.«
Sie ließ die
zwei allein, ging zum anderen Ende der Terrasse und blickte auf den Hudson und
den Hafen hinaus. Über der Freiheitsstatue zerbarsten sprühende Sonnenräder in
tausende von Funken, die in der schwarzen Tiefe des
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