Alles muss versteckt sein (German Edition)
Schuld ließ.«
»Wäre Ihr Mann nicht gewesen«, übernimmt Jan Falkenhagen. »Hätte ich Sie dazu bringen müssen, sich bei Felix umzusehen. Ich hätte Ihnen geholfen , hätte mit Ihnen für ein paar Stunden die Forensik verlassen. Therapeutische Maßnahme, Übung zur Exposition, irgendwas. Das war auch der ursprüngliche Plan. Aber als dann Ihr Exmann anfing, sich so sehr zu engagieren, war es mit ihm viel einfacher.« Er lacht.
»Hören Sie auf!«, sagt Marie und schließt die Augen, ihr Herzschlag wummert in rasendem Rhythmus, wie ein Wasserfall rauscht das Blut durch ihre Adern.
»Aber Marie!«, erklingt Veras gedämpfte Stimme. »Du sollst doch wissen, wie alles weiterging. Also hör zu!« Sie erzählt ungerührt weiter und weiter und weiter. Sogar die Verspätung beim Spieleabend, auch die war kein Zufall, Marie sollte den Code fürs Türschloss erfahren, den sie später dann Christopher verriet. Vera erzählt, wie Jan sie angerufen hat, sobald die Polizei auftauchte, wie sie mit Felix zurück zum Haus gefahren ist und ihn dazu überredet hat, mit ihr die Flucht nach Norden zu ergreifen. Wie sie weinend und verzweifelt Felix gestand, dass sie Patrick getötet hatte. Weil sie glaubte, er hätte sie missbraucht; sein Roman als unumstößlicher Beweis dafür.
»Nicht mal da hat Felix Verdacht geschöpft, dass ich vielleicht sein Tagebuch kenne.« Vera schüttelt ungläubig den Kopf. »Dabei wusste er selbst ja ganz genau, wie Patrick auf die Idee für seinen Roman gekommen war. Aber das konnte er mir natürlich nicht sagen, so wenig, wie er seinen Bruder damals zur Rechenschaft hatte ziehen können. Nein, keinen Ton hat Felix gesagt, auch diesmal nicht. Hat mir sogar noch heuchlerisch recht gegeben, was für ein abartiger Mensch Patrick sei. Hat mich beruhigt und mir versichert, dass er jetzt, nachdem ich ihm das erzählt habe, meine Wut und meinen Hass auf unseren großen Bruder verstehen kann. Ha! Er konnte es verstehen , das fand ich fast schon lustig!«
»Sie sehen, Frau Neumann«, unterbricht Jan Falkenhagen Veras Erzählstrom, »wie das alles zusammenpasst.«
»Ja.« Marie nickt. »Das sehe ich.« Der Arzt verlässt seinen Posten, geht wieder zum Sofa und nimmt neben Vera Platz. Marie fixiert die Tür. Kein Schlüssel steckt. Schon vorhin nicht? Ist sie offen? Oder hat er unbemerkt abgeschlossen und den Schlüssel abgezogen, um ihr den Fluchtweg zu versperren?
»Wir haben dann irgendwo in der Pampa gehalten und überlegt, was wir tun können«, erzählt Vera weiter. »Zuerst hab ich vorgeschlagen, was zu trinken, wir waren ja einkaufen und hatten genug dabei. Und Felix hat wie immer alles in sich hineingekippt, bis er komplett hinüber war. Da war es dann ein Leichtes, ihn zu der Brücke zu fahren und dort auf die Bahngleise zu werfen. Mittlerweile war Jan da, zusammen haben wir ihn mit einem kräftigen Stoß über das Geländer gekippt.« Sie klatscht in die Hände. »Danach musste ich bei der Polizei nur noch mein Alibi für ihn widerrufen, damit war dann alles geregelt.«
»Ja«, sagt Marie ein weiteres Mal. »Ich verstehe.« Wie erschlagen sitzt sie auf dem Stuhl. Und überlegt gleichzeitig fieberhaft, wie sie aus diesem Zimmer kommt.
»Es tut mir leid, dass du das alles jetzt erfahren musstest«, sagt Vera. »Das hab ich nicht gewollt, wirklich nicht. Aber ich habe dich unterschätzt. Ich hätte nicht gedacht, dass du noch einmal nach Elli suchen und dann hier auftauchen würdest.« Sie seufzt. »Jetzt müssen wir natürlich überlegen, was wir als Nächstes tun.«
Als Nächstes tun …
»Was soll das heißen?« Panik steigt in Marie auf und Schweiß bricht ihr aus. Sie wollen sie jetzt auch umbringen, natürlich wollen sie das! Nur deshalb haben sie ihr das alles haarklein erzählt, weil sie wissen, dass sie nicht lebend diesen Raum verlassen wird. Nein!, schreit eine Stimme in Marie. Nein, das nicht! Ich werde leben, leben, leben! Sie springt auf und stürzt zur Tür.
»Marie!«, ruft Vera, da hat sie die Klinke schon in der Hand, drückt sie runter. Sie ist offen, die Tür ist offen! Sie stürmt hinaus, raus in den Flur, rennt auf die Treppe zu, stolpert und fällt, als sie die erste Stufe erreicht. Direkt hinter sich hört sie ein Rumpeln, schnelle Schritte, Vera und Jan Falkenhagen setzen ihr nach. Sie rappelt sich auf, springt über die Stufen, fliegt fast nach unten, landet in der Halle, rennt auf die Haustür zu – und wird mit Wucht zu Boden geworfen. Schwer lieg der Körper von
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