Alles muss versteckt sein (German Edition)
verrückt ist das!« Sie will aus dem Zimmer gehen. Sie wird sich das nicht länger anhören, keine Sekunde! Mit großen Schritten eilt sie zur Tür. Und bleibt abrupt stehen, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürt.
Da ist sie auf einmal: Angst.
»Das ist nicht verrückt«, sagt Jan Falkenhagen leise und ruhig hinter ihr. Mit sanftem Druck seiner Hand auf ihrer Schulter dirigiert er sie zurück zum Stuhl. Während sie sich wieder hinsetzt, bleibt er ganz dicht vor ihr stehen. Angst , denkt sie. Ich habe Angst! Jan und Vera sind verrückt, sie sind ver-rückt! »Es ist genau das«, spricht der Arzt ruhig weiter, »was jemand verdient, der einen anderen Menschen mutwillig zerstört.«
»Felix war doch damals auch noch ein halbes Kind«, sagt Marie mit flehender Stimme. »Als das alles passiert ist, da war er doch noch ein Teenager! Verwirrt, traumatisiert, einsam, verzweifelt, er wusste nicht, was er tat, es war ihm nicht klar, er … .« Sie redet, als würde es um ihr Leben gehen, sucht Ausflüchte, Gründe, Entschuldigungen. Für Felix. Und hofft, dass sie damit sich selbst aus dieser Lage befreien kann.
»Ja?« Jan Falkenhagen sieht sie skeptisch an. »Sie hatten doch selbst eine Tochter, Marie. Hätten Sie das da auch so gesehen?«
»Nein«, flüstert sie und schüttelt den Kopf.
Jan Falkenhagen geht zur offenen Tür, schließt sie und bezieht davor Posten. Der Weg aus dem Zimmer, er ist versperrt. Links von ihr Vera, rechts vor der Tür der Arzt – Marie ist zwischen ihnen eingekeilt.
»Lange haben Vera und ich«, spricht er weiter, »darüber nachgedacht, was wir tun können. Haben hin und her überlegt. Bis ich vor sechs Jahren in der Forensik anfing. Damals, mit meiner neuen Stelle, kam uns dann die Idee.« Er nickt, als müsste Marie begreifen, was er meint. »Ein Zwangserkrankter wäre ideal.«
»Ein Zwangserkrankter?«, wiederholt Marie wie eine Idiotin. »Ideal?«
»Natürlich!«, bestätigt der Arzt. »Sie wissen doch selbst am besten, zu was für mörderischen Gedanken solche Menschen fähig sind!«
»So jemanden brauchten wir«, sagt der Arzt. »Jemanden, der auch selbst glauben würde, dass er Patrick getötet hat.«
»Wir haben ewig gesucht«, in Veras Stimme schwingt unverhohlener Stolz mit. »Es war ja nicht leicht, es musste jemand sein, der ganz genau passt. Und eine Frau.« Sie lacht. » Natürlich eine Frau! Eine, die meinem großen Bruder gefällt. Und umgekehrt. Ein paar Jahre hat das schon gedauert.«
»Aber wir hatten Zeit«, sagt der Jan Falkenhagen. »Und wir hatten uns.«
»Dann habt ihr mich entdeckt«, stellt Marie tonlos fest. »Das Zwangsforum – das war eine Falle!«
Vera nickt. »So ist es. Viele, viele arme Zwangserkrankte, Verzweifelte auf der Suche nach Hilfe oder wenigstens jemandem, der sie versteht. Wir haben Elli erfunden, und die war perfekt darin. Perfekt im Verstehen.«
»Dann hast du mir also geschrieben«, spricht Marie das aus, was sie ja ohnehin schon weiß. »Und das Treffen im Café – da hast du mich und die anderen hinbestellt, um zu gucken, wie wir aussehen. Meine Ähnlichkeit mit Saskia, mit Patricks großer Liebe. Ich habe genau in sein Beuteschema gepasst!«
»Ziemlich, ja«, antwortet Vera. »Das war übrigens ein Punkt, an dem ich kurz mal Angst hatte.«
»Angst?«
»Als du mich auf Saskias Foto angesprochen hast. Das war nicht geplant, und ich hatte auf einmal Sorge, dass du misstrauisch werden könntest, weil ihr euch ja wirklich sehr ähnlich seht. Also habe ich dir die wilde Geschichte von der geplatzten Hochzeit und ihren ständigen Lügen erzählt.«
»Das war alles nur ausgedacht?«, fragt Marie.
»Klar war es das!« Vera lacht. »Deshalb habe ich dir ja auch gesagt, dass du Patrick darauf nicht ansprechen sollst. Also, ein Paar waren er und Saskia natürlich schon, und er hat sie auch sehr geliebt. Nur das mit der Heirat und ihren Schwindeleien, das stimmte nicht.« Sie zuckt mit den Schultern. »Na ja, es hat geklappt, eure große Ähnlichkeit hat dich nicht weiter beschäftigt, ich musste mir keine Sorgen mehr machen.«
»Deine Sorge war unbegründet«, murmelt Marie und weiß gar nicht, wie sie so ruhig bleiben kann. »Auf so eine Idee, dass es gar keine Elli gibt, dass das Treffen im Café nur dazu diente, um mich abzuschätzen – darauf wäre ich nie gekommen.«
»Aber so ist es gewesen. Nachdem Jan und ich dich gesehen haben, sind wir dir gefolgt, haben rausgefunden, wo du wohnst, wo du einkaufst, wie dein
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