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Alles muss versteckt sein (German Edition)

Alles muss versteckt sein (German Edition)

Titel: Alles muss versteckt sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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ersten Mal seit langer Zeit wieder zum Lachen hatte bringen können. Zum Leben. Und zum Lieben.
    Also gab es für die Tötung keinen Grund, jedenfalls keinen, der verständlich, der nachvollziehbar wäre. Nicht für einen normalen Menschen, es muss ein psychotischer Schub gewesen sein. F63.8, Störung der Impulskontrolle. Impuls und Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle und Rolle; genau diese Rolle spielt es nicht mehr, denn auch ein Darum wird Patrick nicht wieder zum Leben erwecken, Maries mörderische Hände nicht von ihrer Schuld reinwaschen.
    »Gucken Sie mal, die Karte kann man aufklappen, und dann geht da so ein Bild hoch!« An Schlaf ist nicht zu denken, Maries Zimmergenossin Susanne steht mitten im Raum und redet gerade auf Dr. Jan Falkenhagen, Oberarzt der Station, ein. Er begrüßt Marie mit einem kurzen Nicken und wendet sich dann wieder seiner Patientin zu. Aufgeregt zeigt sie ihm ihre gestrige Bastelarbeit, eine Glückwunschkarte für ihre jüngste Tochter Emma, die am Wochenende neun wird. Neun würde .
    Jetzt klappt sie die Karte wieder und wieder auf und zu, demonstriert Dr. Falkenhagen stolz den Mechanismus, denn beim Aufklappen stellt sich ein bunter Schriftzug hoch. »Happy Birthday!« steht auf der Pappe, eine der Schwestern hat Susanne beim Beschriften geholfen, ihr eine Schere geliehen und sie ihr später, nach dem Basteln, wieder weggenommen. Marie geht rüber zu ihrem Bett auf der rechten Seite und setzt sich darauf, hoffend, dass die Audienz im Zimmer nicht lange andauern wird und sie sich gleich in den Schlaf flüchten kann.
    »Die ist sehr hübsch«, sagt Dr. Falkenhagen und lächelt Susanne nachsichtig an. Nachsichtig, so werden die meisten Patienten hier vom klinischen Personal betrachtet. Wie man es bei kleinen Kindern tut, so, wie Marie es auch viele Jahre lang gemacht hat, in ihrem alten Leben mit der »Sonnenblumengruppe«. Die Kinder ermutigen, sie loben, ihnen das Gefühl geben, dass sie wichtig sind und von den Erwachsenen ernst genommen werden, positive Verstärkung nennt man das. Genau diesen Blick sieht Marie jetzt bei Dr. Falkenhagen, der fast andächtig Susannes selbst gebastelte Glückwunschkarte begutachtet und sie dann sogar in die Hand nimmt.
    Maries Mitpatientin strahlt ihn an, als würde ihr gesamtes Glück von seinem Urteil abhängen. Dabei federt sie unmerklich mit den Fußballen auf und ab, ein verhaltenes Hüpfen, auch das kennt Marie von den Kindern. Doch bei einer Frau von Anfang vierzig, wie Susanne es ist, wirkt diese Bewegung seltsam, unpassend. Unangebracht, genau wie der abwartende, fast flehende Blick, bitte, bitte, sag mir, dass ich ganz brav gewesen bin, sag mir, dass es dir gefällt!
    Auch das sind die Medikamente, sie brechen den Willen, umnebeln das Gehirn, verwandeln Erwachsene in quengelnde Rotznasen, die den Ärzten und Pflegern am Rockzipfel hängen, als hätten sie Angst, verloren zu gehen oder zurückgelassen zu werden wie ein lästiges Haustier zu Beginn der Urlaubszeit an einer Autobahnraststätte.
    »Das haben Sie wirklich sehr schön gebastelt«, betont Dr. Falkenhagen nun noch einmal und gibt Susanne die Karte zurück. Fein, das hast du feiiiin gemacht!
    »Meinen Sie«, fragt Susanne, »dass ich am Wochenende nach Hause darf?« Aus dem flehenden Blick wird ein hoffnungsvoller. Der Arzt seufzt. Er fährt sich mit einer Hand durch die schwarzen Haare, die hier und da von ein paar silbernen Strähnen durchzogen sind, rückt seine Brille zurecht und lässt die andere Hand in seiner Hosentasche verschwinden. Wie ein Arzt sieht er nicht aus, schon gar nicht wie ein Oberarzt. Marie schätzt ihn auf ihr Alter, Ende dreißig vielleicht, eigentlich zu jung, um eine so wichtige, eine so gefährliche Anstalt zu leiten. Überhaupt, wie krank muss Dr. Falkenhagen sein? Wie krank, dass er sich täglich und freiwillig mit Kranken beschäftigt? Nicht mit »normal Kranken«, die irgendwann wieder gesund werden und dann nach Hause dürfen. Sondern mit hoffnungslos Kranken, unheilbaren Fällen, mit Abnormen, anders gesagt: Verrückten. Verrückten Straftätern noch dazu!
    Der Arzt trägt Jeans, blaues Hemd unter dem dunklen Wollpullover mit V-Ausschnitt, seine Füße stecken in teuren braunen Lederschuhen, rahmengenäht. Einzig der Pieper, das kleine schwarze Kästchen am Hosenbund, weist ihn als Mitarbeiter dieser Anstalt aus, kein weißer Kittel, kein Stethoskop um den Hals oder wie man sich sonst einen Mediziner vorstellt. Niemand auf der Station trägt

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