Alles paletti
fragte er.
Chaim erwiderte: »Es gibt einen dringenden Umzug an der 44. Straße, der sich plötzlich ergeben hat. Eine kleine Sache. Maximal eine Stunde, zack, zack, und ihr drei seid wieder draußen. Nachdem ihr damit fertig seid, geht ihr zu den Alten in Queens. Ich hoffe, ihr werdet damit fertig, alles einzuladen, und brecht noch heute Abend zu dem Trip auf.«
Sie fahren durch das morgendliche Manhattan, von West nach Ost. New York erwacht zu einer weiteren Woche, und im Radio läuft Howard Stern mit seinem YEAH BABY! und OH BEHAVE!, das er von Austin Powers übernommen hat und regelmäßig jede halbe Minute zum Besten gibt. Der Nebel im Kopf und über der Stadt beginnt sich zu lichten. Jonsy fährt mit einer Hand am Steuer, in der rechten hält er einen Tropicana-Saftkarton mit Orangen-Bananengeschmack. Izzi lassen nur Kaffee und Howard Stern allmählich wach werden.
YEAH BABY! Auch Schlomi ist dabei. Ihm tut der Rücken weh. Howard Stern redet von »Titanic« und Leonardo DiCaprio. Jemand hat DiCaprio im Village gesehen, im Bamboo Club. Jonsy sagt: »Bamboo Club? Ob der was taugt?« Schlomi sagt: »Klar taugt der was, todsicher. Für dich lohnt es sich, da hinzugehen. Wer da reingeht, kommt direkt in die Hölle.«
Jonsy lacht. Er sagt: »Wir haben noch eine kleine Arbeit. Ein Büro an der 44. und fünften, Chaim hat versprochen, dass wir in einer Stunde draußen sind. Zack, zack. Leichter Job.«
Draußen waren sie nach vier Stunden Schweiß und Flüchen. Ein schwieriger Umzug. Vier schwere Schreibtische, die durch keine Tür gehen wollten. Sie mussten Türstöcke zerlegen, hochkant hieven, drehen, herunterlassen und gleichzeitig mit ein paar Hunten arbeiten, alles begleitet vom endlosen Schwall Jonsys wütender Flüche. »Zack, zack. Dieser Arschficker von Chaim«, schimpfte Jonsy erbittert, als sie auf den Serviceaufzug warteten. Schlomi sagte: »Dieser fucking idiot.« Er wischte sich den Schweiß mit dem grauen Ärmel des Sweatshirts ab.
Die Bürogebäude in New York sind völlig eigene Welten. Von außen wirkt alles ganz schlicht. Ein Gebäude, eine Lobby, schöne Aufzüge, Büros. Nichts, woran man einen Gedanken verschwenden würde. Doch hinter den Kulissen läuft etwas anderes ab. Dutzende Leute, ein weit verzweigtes System von Korridoren und Serviceaufzügen, Hunderte von Waren, die jeden Tag ausgeladen und eingesammelt werden, ein ausgeklügeltes Papier- und Restmüllentsorgungssystem. Wenn man das für die Tausende Gebäude Manhattans hochrechnet, erhält man eine komplette unsichtbare Welt, die Hinterseite der Welt von New York. Nicht die rückseitige Welt der Nacht, der Drogen,
Prostituierten, der Unterwelt. Es ist die Hinterseite der Tageswelt, der Arbeit. Jedes Mal, wenn du so ein Gebäude zur Arbeit betrittst, studierst du seine Geographie. Die Türsteher, die Sicherheitsleute, das Müllpersonal, die Reißwölfe, die Bediensteten an den Serviceaufzügen.
Je höher das Gebäude ist, desto größer, raffinierter und verzweigter ist das System. In den Wolkenkratzern der Wall Street - die Dutzende Etagen haben - sind diese unsichtbaren Welten besonders hoch entwickelt. Es gibt Servicedecks, die ein paar parkende Lastwagen auf einmal aufnehmen können. Zur Personalmannschaft gehören ein Verantwortlicher für das Einweisen der Lastwagen, jemand, der sie mitsamt ihren ein-und auslaufenden Ladungen registriert, Zuständige für Papier und Müll und noch zig andere Beauftragte.
In diesen Gebäuden gibt es lange, mit Linoleum ausgelegte Gänge für eine reibungslose Fortbewegung der Hunte und Rollwägen. Es gibt Räume für Papierzerkleinerung und Müll, in denen rund um die Uhr Betrieb herrscht. Und Serviceaufzüge - hässliche, nackte Lifte für die Lastenträger und die Arbeiter. Das sind nicht die ausgepolsterten Fahrstühle mit den blitzenden Spiegeln an der Fassadenseite des Gebäudes, die für die Anzugträger.
Wenn du mit deinem Lastwagen ankommst, um in einem solchen Gebäude auszuladen, siehst du in den rückwärtigen Korridoren unzählige Menschen in Overalls, die pausenlos mit Säcken und Waren ein- und ausgehen. Du siehst die kleinen Rädchen, die dieses Gebäude in Gang halten. Nach ein paar Monaten in dem Job fängst du an, die Orte und die Leute zu kennen. Du weißt, wer wichtig ist, bei wem es sich lohnt, sich einzuschmeicheln, du identifizierst bekannte Gesichter in bekannten Arbeitsmonturen, auf die du in der Vergangenheit
in diesem oder jenem Gebäude bereits gestoßen
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