Alles paletti
ehemaligen Partner verantwortlich macht, die die Schuld wiederum auf ihn zurückverweisen, ist in der Stadt schon zum Running Gag geworden. Doch würde man das weiße Strichlein wegmachen, hätte man eine Lücke in dem Wort Storage, und jemand sagte einmal zu Chaim, das Strichlein gebe dem Ganzen einen Hauch von Französisch. Also blieb der Fehler.
Die Wohnung ist voller Möbel und Geräte, Überbleibsel von Umzügen: die Sofas im Salon, die Schränke, der Fernseher in Jonsys und Chens Zimmer, der Computer im Büro. Ohed spielt in den meisten Nächten Bridge im Internet, ohne einen Ton von sich zu geben. Wenn es Izzi gelingt, sich den Computer
für ein paar Minuten zu schnappen, schreibt er eine Mail an seine Freundin Daphna. Als er ankam, redete ihn Chaim ein paar Tage lang gar nicht an. Als Izzi ihn fragte, wann er denn zu arbeiten anfangen solle, antwortete er, er wisse es nicht. Izzi schrieb an Daphna: »Ich habe Sehnsucht. Der Winter in New York ist kalt. Aber es wird schon werden. Ich warte und werde mal sehen, was passiert.«
Langsam lernt er alle kennen. Jotam, der hauptsächlich die Fahrten zur Westküste macht und auf dem Sofa im Wohnzimmer schläft, wenn er in New York ist. Schlomi mit der grünen Alabama-Baseballmütze und der amerikanischen Militärjacke, der immer versucht, ihn und Jonsy zu überreden, in ein Seminar über das Judentum zu gehen (er ist neo-religiös, wohnt in einem israelischen Viertel in Queens). Jonsy, der dienstälteste Vormann, seit sechseinhalb Jahren im Umzugsgeschäft, eine Trinkgeldlegende, aber ein Maniker bei der Arbeit. Jonsy und die Märchen des Movinggeschäfts, die man sich über ihn erzählt - der Umzug mit dem Mord (Brighton Beach, sie zogen Frau und Kind um, der Ehemann kam an und brachte die Frau um, weil er nicht einverstanden war, dass sie ihn verließ); der Umzug mit dem Scheißpech (mitten im Umzug nahm Jonsy eine Zeitung und ging kacken. Es gab eine Verstopfung. Er sagte zu Joni Bronko, der bei dem Job dabei war, er solle es reparieren. Joni schuftete eine Stunde lang, am Ende holten sie einen Installateur); der Umzug mit dem Brand (der Lastwagen brannte, niemand wusste, warum. Jonsy sprang ins Feuer, holte seine Tasche raus und ging).
Als Izzi an seinem ersten Morgen zur Arbeit aufstand, um sechs Uhr früh, war die Wohnung eisig. Er trat ans Fenster, sah auf den blauen Laster von Sababa Moving and Storag’e hinunter.
Jemand lehnte dort, rauchte Crack, zündete ein Streichholz nach dem anderen an, inhalierte tief mit wackelndem Kopf. Izzi betrachtete ihn von oben, strich sein Haar nach hinten glatt, spielte mit seinem Ohrring. Schlomi kam mit Kaffee in einem blauen Pappbecher herein und sagte: »Guten Morgen, Jude.« Dieses Bild wiederholte sich fast exakt jeden Tag in den kommenden Wochen. In der Früh raus, in der Nacht zurück, und dazwischen Kisten schleppen.
DIE WUNDERBARE WELT DER HINTERSEITE
Am Abend, nach dem Umzug von Joachim Basendwarf, teilte Chaim Jonsy telefonisch mit, dass er am nächsten Morgen mit der gleichen Mannschaft zu einem Langstreckentrip aufbrechen solle - Jonsy als Vormann, Schlomi die Nummer zwei, Izzi als Helfer. Offenbar.
Jonsy spürte, wie ihm das Blut zu Kopf stieg. Das war so typisch für Chaim. Am Abend vorher eine solche Fahrt anzukündigen. Und ohne weitere Einzelheiten. »Was für eine Tour genau? Wohin geht es?«, fragte er, wobei er versuchte, ruhig zu klingen.
»Ist noch nicht ganz raus«, antwortete Chaim. »Morgen ladet ihr einen großen Job nach Florida ein, ein altes Ehepaar aus Queens. Und da ist der eine aus Texas. Also ist die Richtung Süden. Du kriegst den letzten Stand in der Früh.«
»Immer macht er das, der Arschficker«, sagte Jonsy zu Chen, nachdem er aufgelegt hatte. »Er weiß die Reihenfolge
der Fahrten nicht, er weiß die Größenordnung der Arbeit nicht, er weiß gar nichts. Hauptsache, jalla, hopp, hopp, auf Tour. Wetten, dass sich das noch fünfmal ändert.«
Chen verzog das Gesicht. »Aber du hast doch gesagt, dass du mit diesen Touren aufhörst. Dass ich endlich mal ein bisschen was von dir zu sehen kriege.«
Jonsy schwieg ein paar Sekunden. Dann sagte er: »Das ist der letzte Trip, ich verspreche es. Und danach wirst du eine ganze Menge von mir sehen, okay? Viel mehr, als dir lieb ist.« Er kniff sie in die Wange, und sie lächelte.
»Okay.«
In der Früh verkündete Chaim: »Kleine Planänderung.«
Jonsy sagte sich im Stillen, was für eine Überraschung. »Was ist los?«,
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