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Alles Umsonst

Titel: Alles Umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Steckrübe berechnete sie zehn Pfennig.
    Mit Katharina saß er gern ein wenig zusammen, wenn sie sich denn sehen ließ. Gern hätte er ihre Hand gefaßt, aber es gab keinen rechten Anlaß dazu. Das Tantchen pflegte Schubladen aufzuziehen, wenn er kam, und mit Aplomb wieder zuzustoßen. Daß es immer was zu tun gibt, sollte das bedeuten, in einem so großen Haushalt, auch wenn es so aussieht, als ob man müßig in den Tag hineinlebt.
     
    Wagner kümmerte sich ein wenig um den Jungen, wie er es ausdrückte. Ging also mit ihm auf seine Stube und brachte ihm Dinge bei, von denen in der Schule nie die Rede gewesen war.
     
    Fernglas und Mikroskop? Im Physiksaal der Klosterschule stand ein kleines Teleskop, man könnte es nach Georgenhof schaffen und dort mit dem Jungen die Sterne begucken? Niemand würde den Verlust bemerken, und man trüge es ja auch wieder zurück, wenn alles vorüber ist?
     
    Ganz uneigennützig kümmerte sich Dr. Wagner um den Jungen. Er verlangte jedenfalls keine fünfzig Pfennig für die Unterrichtsstunde. Er begnügte sich mit ein paar Kartoffeln oder einem halben Kopf Kohl.

Der Ökonom
    A n einem dunklen Abend klingelte es an der Haustür, ein älterer Mann war es, der die Glocke gezogen hatte, er trug eine lustige Mütze und stützte sich auf zwei Krücken.
    Wladimir hatte ihn in der Dunkelheit schon mit der Taschenlampe auf dem Hof herumstreichen sehen, und die beiden Ukrainerinnen hatten innegehalten und aus dem Küchenfenster gespäht, wer das da ist, der sich dem Hause nähert?
    Jago hatte sich erhoben und ein-, zweimal angeschlagen, und nun stand der Fremde in der Tür, die Schneppglocke machte noch einmal pling!, und Katharina öffnete ihm. Schon stakste der Mann mit seinen Krücken an ihr vorüber in die Halle hinein und auf und ab, die Beine vor- und zurückschwingend, von Jago Schritt für Schritt begleitet. Er trug eine grüne Bauernjoppe mit schrägen Seitentaschen und schwarze Ohrenschützer. Die Ohrenklappen der Mütze wurden oben auf dem Kopf mit einem Schleifchen zusammengehalten. Um den Leib hatte er einen Lederriemen, und an diesem Riemen hing eine schwere, akkordeonartige Aktentasche.
     
    Er möchte sich nur eben ein wenig aufwärmen, sagte er zu Katharina und zu dem Tantchen, das gerade die Abendsuppe hereintrug, ob er das dürfe? – Kein Bus, kein Zugverkehr, Strecke unterbrochen und ein eisiger Wind? Aus Elbing kam er, und von Harkunen war er zu Fuß bis hierher gestakst: Was für Verhältnisse! Wer hätte das gedacht! Fünfzehn Kilometer!? Bei diesem Wetter? und zu dieser Stunde?
    Nach Mitkau wollte er, und er hatte damit gerechnet, daß ein Gasthaus an der Straße läge, das «Waldschlößchen», das auf seiner Karte verzeichnet war, ein Ausflugsort für Familienfeiern?
    Er war auch tatsächlich daran vorbeigekommen, aber alles verriegelt und verrammelt. Fremdes Volk trieb sich dort herum. Allerlei unartikulierte Sprachfetzen, Tschechisch, Rumänisch ...?
    Hände in den Taschen, ihm nachgesehen ...
     
    Der Mann hieß Schünemann, und er war schon lange unterwegs, per Bahn, und das letzte Stück von Harkunen aus mit einem Bauernwagen, und den allerletzten Rest zu Fuß! Und das bei diesem Schnee!
    Er wolle sich nur ein wenig aufwärmen und verschnaufen, dann verdufte er sofort. Irgendwo werde er schon noch unterkommen, sagte er und blickte sich um ...
    Was hatte ihn geritten, sich um diese Jahreszeit im Lande herumzutreiben? Ausgerechnet nach Mitkau?
     
    Katharina sah sich den Mann an. Besuch zu dieser Tageszeit? Und auch der Mann betrachtete sie nicht ohne Interesse. Donnerwetter! Was sich so alles auf dem Lande versteckt ... Diese Frau gehörte doch von Rechts wegen sonstwohin? Berlin! München! Wien!
    Er stakste zu ihr hin, mit den Beinen vor- und zurückschwingend, und sagte, er heiße Schünemann und sei Ökonom von Beruf, National ökonom, und – keine Angst! – er wolle nur ein wenig verschnaufen ...
    «Ah, Wärme ... », sagte er und hakte die Mappe vom Schulterriemen ab und schwang sie neben den Kaminsessel. Dann öffnete er die Jacke und stellte sich, von den Krücken befreit,ans Feuer und ließ Wärme an seinen Körper strömen. Wärme! Der Hund stellte sich neben ihn, was der Mann da in das Feuer zu gucken hat, er wedelte kurz mit dem Schwanz: Es mochte seine Richtigkeit mit ihm haben.
    Nun kam auch der Kater herbei: Was hier schon wieder los ist.
     
    Der Mann setzte sich an den Kamin und zündete sein Pfeifchen an und verfluchte den Tag, an dem er sich

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