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Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright
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mein Abendessen war, und brummten uns an wie Menschen, die zusammenleben, aber ihren eigenen Angelegenheiten nachgehen. Alles war ganz unkompliziert. Als Karen den Schlüssel ins Türschloss steckte, dachte ich, bei uns würde eingebrochen. Ich stellte fest, dass ich Silvester irgendwie verpasst hatte. Und ich war traurig. Was immer geschehen war, jetzt war es vorbei.
     
    Nach den Feiertagen war Karen richtig tobsüchtig. Ich glaube, es hatte etwas mit der Freundin ihres Vaters und einem Hund oder einem Auto zu tun. Was auch immer. Die Freundin ihres Vaters war eine absolute Zicke, und deswegen motzte Karen uns den ganzen Tag an und weinte
sich abends in den Schlaf. Wir konnten sie durch die Wand hören. Dann verliebte ich mich plötzlich in diesen wahnsinnig-schlauen-aber-ein-bisschen-langweiligen Typen aus New York – ich war völlig besessen. Ich quasselte und quasselte und rannte zum See hinunter und wieder zurück. Schließlich konnte ich ihn dazu bewegen, sich bei mir ein paar Aufzeichnungen abzuholen, die er sich ausleihen wollte, und als er gegangen war, schloss ich hinter ihm die Tür und ließ mich daran zu Boden gleiten. »Oh, Li«, sagte ich lachend. »Oh, Li.«
    Aus irgendeinem Grund wurde daraus unser WG-Witz. »Oh, Li!«, sagten wir. »Oh, Li.« Immer, wenn etwas Lustiges oder hoffnungslos Dummes geschah, wenn in der Pfanne etwas anbrannte oder eine Frisur seltsam aussah. Es war besser, wenn Li da war, aber manchmal sagten wir es auch, wenn sie nicht da war. Li schien sich von all der Beachtung geschmeichelt zu fühlen, denn sie gab dann immer dieses alberne Schnauben von sich. Aber es verwirrte sie auch.
    Eines Abends verkündete sie zögernd, Li sei eigentlich ein Nachname. Der Vorname werde im Chinesischen nachgestellt, und ihrer laute Chiao-Ping. Aber von den meisten werde sie Ping genannt. Dann verstummte sie. Es schien, als habe sie nichts weiter vor mit dieser Information, sie wollte sie uns nur mitteilen.
    »Oh, Ping«, sagte ich nach kurzem Schweigen. »Oh, Ping.« Wir konnten nicht anders, wir vergingen fast vor Lachen, wir lachten und lachten, bis wir uns auf dem Boden wälzten.

    In der folgenden Nacht plagte mich ein schrecklicher Traum. Es war einer jener Träume, die einen völlig durchtränken, bei denen einem speiübel wird. Ich glaube, der Typ aus New York kam darin vor, und er war durch und durch böse. Ich bemühte mich aufzuwachen, und der Traum geriet ins Schlingern. Meine Mutter war da und warnte mich, ich schwör’s. Meine Mutter war da und sagte: »Wach auf, wach auf, Liebling.« Dabei gehörte »Liebling« gar nicht zu ihrem Wortschatz. Ich wachte also auf, und mein Körper zappelte im Bett. Ich konnte den Kopf nicht bewegen, und mit der Dunkelheit stimmte irgendetwas nicht. Ich versuchte, Atem zu holen, aber irgendwie klappte es nicht. Ich bekam keine Luft. Meine Hand stellte Kontakt mit etwas her, mit einem Gesicht, in das ich mit aller Kraft hineindrückte. Ich stieß ihm meine Finger in die Augen.
    Ping versuchte, mich zu ersticken. Endlich. Wenn es kein Hochbett gewesen wäre, hätte ich vermutlich das Zeitliche gesegnet, aber als ich sie von mir stieß, verlor sie auf der Leiter das Gleichgewicht und fiel hinunter. Ich blickte hinab und sah, wie sie auf dem Boden nach dem Kopfkissen tastete. Sie schnappte es sich, sah zu mir auf und sagte etwas auf Chinesisch. Es klang wirklich seltsam und bösartig. Ich hatte sie vorher noch nie Chinesisch sprechen hören.
    Ich hätte die Sache auf sich beruhen lassen können. Ist das nicht komisch? Genauso wie die Rasierer, die Höschen und die ständig heulende Karen. Ich hätte nichts sagen und einfach weitermachen oder eher beiläufig damit umgehen können. Aber als sie hinunterfiel, weckte der
Lärm alle auf, und im nächsten Augenblick klopfte auch schon Karen an die Tür. »Alles in Ordnung da drinnen?« Als sie die Tür öffnete, lag Ping noch immer auf dem Fußboden, und ich blickte noch immer auf sie hinab.
    Danach versuchten wieder alle, mir Schuldgefühle einzureden. Ping wurde nach China zurückgeschickt (wohin? in ein Straflager?), und das College stellte mir gleich drei Anwälte zur Verfügung, für den Fall, dass ich klagen wollte. Alle redeten von Rassismus. Keiner sprach es aus. Aber ich erklärte, es gehe nicht darum, dass sie Chinesin sei, sondern um die Tatsache, dass sie verrückt sei. Außerdem konnte ich ihnen nicht sagen, dass es mir egal war. Ich konnte ihnen nicht sagen, was mir wirklich zugestoßen war,

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