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Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright
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alte Knacker zu verführen, und der alte Knacker traute es ihr auch nicht zu. Es war eine heikle Situation, aber durchaus befriedigend. Kitty erzählte ihm nicht von ihrem Exmann, und er sprach nicht von seiner verstorbenen Frau. Sie verschwieg ihm, dass ihr Mann fremdgegangen war, dass sie alles darangesetzt hatte, ihn zu halten – bis hin zu Pornovideos im Schlafzimmer -, und dass der Richter, nachdem sie aus dem Haus gestürmt war, ihr dies als böswilliges Verlassen ausgelegt und das Haus ihm zugesprochen hatte. Sie verschwieg ihm, dass ihr Mann zwei Wochen nach dem Scheidungstermin eine
Frau bei sich hatte einziehen lassen, dass ihre Söhne ihr in das möblierte Zimmer gefolgt waren und sich um sie gekümmert hatten, wie nur halbwüchsige Jungen es können, dass sie es schließlich gemeinsam geschafft hatten, hier an den äußersten Stadtrand zu ziehen, in ein anständiges Leben. Sie verschwieg ihm auch, dass sie schwanger war, als sie es feststellte. Sobald sich der Vorhang über Johnny Belinda gesenkt hatte und noch ehe irgendjemand Fragen stellen konnte, ließ sie ihn und die Theatergruppe sausen.
     
    Zunächst hatte sie geglaubt, es seien die Wechseljahre. Sie stand in der Bettenabteilung und wartete auf die Hitzewallungen. Es machte ihr nichts aus, alt zu werden, solange dies nur bedeutete, ruhiger zu werden, aber so ließ die Sache sich nicht an. In ihr kochte und siedete das Blut. Sie fuhr hinauf zur Buchhaltung, um ihre Lohnabrechnung zu beanstanden, und mit einem Schlag landete sie wieder unten in der Bettenabteilung. Sie lief auf der Etage umher und setzte sich auf die Betten. Sie verspürte einen furchtbaren Drang, sich auf einem von ihnen langzulegen. An einem Montagabend während der Inventur tat sie das dann tatsächlich. Sie streckte sich aus. Ließ sich rücklings auf eine doppelt gefederte Slumberland-Matratze sinken und hatte das Gefühl, nie wieder aufstehen zu können.
    Erst als sie gleich drei Keramiktöpfchen Aprikosenmarmelade kaufte, fiel der Groschen. Auf einen Test verzichtete sie. Sie geriet total aus dem Häuschen, wie bei beiden Söhnen, ein herrliches Gefühl, so als würde man
in einen Teich eintauchen und feststellen, dass man unter Wasser weiteratmen kann. Das Kind war nicht größer als ein Kernlein in ihrem Bauch. Sie unternahm mit ihm Spaziergänge und kleine Ausflüge. Sie fuhr mit ihm Rolltreppe und schwang mit ihm auf einer Schaukel im Park, wobei sie mit den Schuhen den groben Sand aufscharrte und sich ein bisschen verrückt vorkam. Was würde sie den Jungs erzählen? Die Leute in der Bettenabteilung – ihre Kollegin Jackie und die Kunden, die kamen, um sich umzuschauen oder einzukaufen – wirkten alle leer auf sie, wie Hülsen. Als sei sie als Einzige wirklich. Es war wie in dem Film mit den Schoten, und sie wollte irgendwohin flüchten, zu einem verlassenen Leuchtturm oder zu einer Hütte am Strand, und in einem Lichtstrahl sitzen, während ihr Baby in ihr wuchs.
    Tom rief an. Seine Stimme war ein Schock.
    »Ich dachte, ich schau mal nach dem Rechten.« Er hörte sich nah an, er hörte sich an, als sitze er in ihrem Ohr. Kitty musste sich in Erinnerung rufen, dass sich kilometerlange Kabel zwischen ihnen erstreckten, ein Labyrinth aus Elektrizität und Statik.
    »Ich kann nicht klagen«, sagte sie. »Und wie steht’s bei dir?«
    »Gut. Gut.«
    In der Stille tat er ihr leid. So etwas war er nicht gewohnt.
    »Und wie geht’s dir?«, fragte er.
    »Ach, bombig«, antwortete sie. »Ich bin im siebten Himmel.«
    Er verstand den Wink und legte auf.

    Eines Morgens dann tat die Rolltreppe, die nach unten führte, einen Seufzer und blieb stehen. In einem solchen Fall tapsten die Leute vorsichtig, fast vornübergeneigt die Stufen hinunter und schielten auf die Rillen, die nun merkwürdig starr wirkten, obwohl sie noch immer unter ihren Füßen hinwegzurollen schienen. Kitty war froh, dass sie nicht selbst auf dem Ding gestanden hatte, als es zum Stehen kam. Sie hätte reichlich albern ausgesehen. Wie der Zufall es wollte, befand sich auf den Rolltreppen niemand außer einer jungen Frau, die plötzlich emporgetragen zu werden schien. Husch .
    Kitty wusste, dass es nichts zu bedeuten hatte, sorgte sich aber um ihr Baby, das gerade mal elf Wochen alt war. Sie konnte die Schieflage der stillstehenden Stufen nicht ertragen, sie glichen einem endlos dahinhumpelnden Wesen am anderen Ende der Verkaufsabteilung. Sie gönnte sich eine lange Mittagspause, und als sie zurückkehrte,

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