Alles was du wuenschst - Erzaehlungen
keinen Kevin Daly unter dieser Nummer, und der junge Mann fragte, ob sie sich da sicher sei. Er suche einen Kevin Daly, den er früher gekannt habe, einen Mann, der in Malahide zur Schule gegangen sei. »Tut mir leid«, erwiderte Kitty, doch schon führten sie ein Gespräch. Er erzählte ihr, Kevin Daly sei sein Bruder, zu dem er schon seit Langem keinen Kontakt mehr
habe. Dann sagte er, eigentlich sei Kevin Daly sein Vater, jedoch wisse dieser nicht, dass er sein Vater sei, zumindest wisse er nicht, dass er sein Sohn sei. Er sagte, er suche seinen Vater, weil seine Mutter krank sei, deshalb habe sie ihm auch endlich den Namen seines Vaters verraten – Kevin Daly – und dass er in Malahide zur Schule gegangen sei. »Es war eine Schulliebschaft«, sagte er. Kitty sagte immer nur: »Tut mir leid«, so wie man »Verstehe« sagen würde.
»Tut mir leid«, sagte sie.
»Also deshalb – wissen Sie?«
»Tut mir leid.«
Er fragte sie, ob sie einen Bruder oder Cousin namens Kevin Daly habe, und sie antwortete nur: »Nein, tut mir leid.« Aber er war sehr hartnäckig, gerade so als habe sie dem Mann Unterschlupf gewährt. »Nein wirklich, es tut mir leid«, sagte sie und legte den Hörer auf.
Am nächsten Tag rechnete Kitty damit, dass jemand auf der Rolltreppe in die Bettenabteilung gleiten und sie beim Namen rufen würde. Sie wusste nicht, wer es sein oder welche Kleidung er tragen würde. Ein Mädchen mit grünen Augen vielleicht oder ein schlanker junger Mann. Sie stellte sich einen Mann in tadellos sitzendem schwarzem Anzug vor – jemanden, der das gewisse Etwas hatte, wie Cary Grant. Von der Etage über ihr starrte sie ein junger Kerl mit gelockten roten Haaren an – oder vielmehr durch sie hindurch -, und seltsamerweise fragte sie sich, ob dies vielleicht der Mensch sei, auf den sie wartete. Auch, was er wohl zu ihr sagen würde, wenn er es denn war?
Dann erschien eine Gestalt, die ihr das Herz stocken ließ, und es dauerte eine Weile, bevor Kitty merkte, dass es ihre Mutter war, die da wie eine Königin aus der Abteilung »Stoffe und Gardinen« herabschwebte.
»Hab dich gar nicht erkannt«, sagte Kitty.
Ihre Mutter war in der Stadt, um einen Duschvorhang zu kaufen, und hatte sich gedacht, sie würde mal kurz vorbeischauen, um Hallo zu sagen. Doch danach hatten sie einander nicht mehr viel zu erzählen. Kitty war es gewohnt, sie zu Hause zu sehen; hier in der Öffentlichkeit wirkte ihre Mutter überraschend gut gekleidet und schweigsam.
»Nun, du weißt ja, wo ich zu finden bin«, sagte Kitty zu ihr, mit einem Lächeln, als seien sie einander fremd.
Schließlich verführte Kitty, zu dessen gelinder Überraschung, ein Mitglied der örtlichen Amateurtheatergruppe. Der Mann hatte ihr seit Monaten den Hof gemacht, wenngleich auf sehr altmodische Weise. Er war etwas über sechzig, Kitty etwas über vierzig, ein Altersunterschied, der bei zwei nahezu erwachsenen Söhnen zu erwarten war. Sie wirkten beide bei einer Inszenierung von Johnny Belinda mit, einem Theaterstück über eine Taubstumme, die schwanger wird, auch wenn sich dies erst ganz am Ende herausstellt. Kitty reichte den Pausenkaffee und hatte einen Auftritt in der letzten Szene. Tom, so hieß der Mann, hatte das Bühnenbild geschaffen. Er habe geschickte Hände, sagte er, als er sich in der Requisite über einen Sägebock beugte, und Kitty warf ihm einen Blick zu, um zu sehen, was er meinte – aber er
wollte lediglich zum Ausdruck bringen, dass er gut darin war, Dinge anzufertigen. Angenehm. Irgendwie. Nahezu jeden Abend fuhr er sie nach den Proben nach Hause, und eines Abends hielten sie an, um essen zu gehen. Danach lud Kitty ihn auf einen Drink zu sich ein.
Tom. Er sagte, er benötige nur ein paar Stunden, um den alten Lichtschalter durch zwei Dimmer zu ersetzen, danach würde sie allerdings renovieren müssen. Er betrachtete die Fotos auf ihrem Kaminsims. Er sei vor nicht allzu langer Zeit Witwer geworden. Seine Tochter habe ihm geraten, der Theatergruppe beizutreten, und das habe er getan. Gleich, dachte Kitty, gleich wird er von seinen Zähnen anfangen, dass es noch die echten sind. Trübe braune Augen, silbernes Haar, ein ansehnliches Abwann-ist-bloß-alles-falsch-gelaufen-Gesicht. Sie gerieten gar nicht erst in Versuchung. Kittys Ältester kam vom Pub hereingepoltert und blieb da, um sich vorstellen zu lassen. Ihr Jüngster hockte oben vor seinem eigenen Fernseher. Es waren nette Jungs. Sie trauten ihrer Mutter nicht zu, im Vorderzimmer
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