Allie setzt sich durch - Band 3
schaute über ihre Schulter zurück zu Cheyenne. »Vielleicht kennt sie es nicht anders.«
»Es gibt Leute, die haben keine Manieren«, sagte Caroline. »Kommt, Leute, vergessen wir sie einfach und spielen.«
Geduckt krochen wir durch die Büsche in unsere geheime Burg und spielten eine schöne Runde »Königinnen«, ohne auch nur noch einen einzigen Gedanken an Cheyenne O’Malley zu verschwenden.
Na ja, wir versuchten es zumindest. Es war aber schwierig, sich zu konzentrieren. Immer wieder hörte ich Cheyennes Stimme in meinem Kopf, wie sie sagte: »Ich weiß nicht, ob
ihr es schon gemerkt habt, aber wir sind in der vierten Klasse. Findet ihr nicht, dass wir ein bisschen zu alt sind für so kindische Spiele?«
Ich weiß nicht, ob die anderen Mädchen auch immer wieder Cheyenne in ihren Gedanken hörten oder nicht, aber ich hörte sie! Schrecklich war das!
War man in der Vierten zu alt für fantasievolle Spiele, bei denen man so tut, als wäre man jemand anderes? Caroline, Sophie, Erica und ich spielten ständig solche Spiele. Wir taten so, als wären wir Königinnen. Wir taten so, als wären wir Astronauten (ein Spiel, das ich von meinen Brüdern abgeschaut habe. Aber nie im Leben würde ich ihnen erzählen, dass ich ihre Idee geklaut hatte). Wir spielten auch mit unseren eigenen Barbies Rollenspiele (na gut, Caroline spielte nicht mit ihrer eigenen Barbie, weil sie keine eigene hatte, aber sie spielte mit Ericas Ersatz-Barbie). Manchmal taten wir so, als wären wir in der High School, und zogen uns wie Teenager an, wobei wir die Sachen von Ericas Schwester Missy nahmen. (Und dann mussten wir damit leben, dass sie sauer wurde, wenn sie uns erwischte. Aber das war es wert.) Manchmal taten wir so, als wären wir verrückte Wissenschaftler und mixten die vielen Putzmittel zusammen, die wir bei Caroline unter der Spüle fanden, um zu testen, ob sie explodierten. Manchmal verkleideten wir uns mit den Anziehsachen von Sophies Mutter als Filmstars. (Und wenn sie uns erwischte, bekamen wir Ärger. Aber auch das war es echt wert.)
War das kindisch? Vielleicht. Aber es machte so viel Spaß! Wenn es kindisch ist, wenn man die Sachen der Mutter einer Freundin anzieht und sich mit ihrer Schminke anmalt, dann will ich nicht erwachsen werden.
Als es zum Ende der Pause klingelte und wir uns aufstellen sollten, um wieder reinzugehen, war ich wohl nicht die Einzige, der die Pause zu kurz vorkam, um den traumatischen Morgen zu verdauen. Dennoch kamen wir aus dem Gebüsch und stellten uns schnell in unsere Reihe. Dabei sahen wir, dass Cheyenne nicht mehr allein war. Sie ging zwischen Marianne und Dominique, zwei Mädchen aus unserer Klasse.
»Da«, sagte Erica. »Cheyenne hat schon Freundinnen gefunden. Jetzt müssen wir uns keine Sorgen mehr um sie machen.«
»Wer macht sich denn Sorgen um sie? Ich schon mal nicht«, erwiderte ich.
»Die erzählt denen doch nicht etwa, was du über Prinz Peter gesagt hast, Caroline, oder?«, fragte Sophie besorgt.
Ihre Schwärmerei für Peter war ein großes Geheimnis, aber eins, über das wir oft redeten. Deshalb vergaßen wir manchmal, dass es geheim war.
»Nein«, antwortete Caroline. »Warum sollte sie das tun? Das wäre einfach heimtückisch.«
Da Caroline von allen Schülern an unserer Schule die Beste in Rechtschreibung ist, nimmt sie manchmal komplizierte Worte in den Mund, die wir nicht verstehen. Aber ich wusste, was »heimtückisch« bedeutete.
Ob Cheyenne heimtückisch war oder nicht, konnte ich noch nicht beurteilen. Dafür kannte ich sie noch nicht lange genug. Eins wusste ich aber: Besonders freundlich war sie nicht.
Freundliche Leute sagen anderen nicht, dass sie ihre Spiele kindisch finden. Das ist eine Regel.
Vielleicht hatte Cheyenne aber auch nur einen schlechten Tag. Das kann jedem mal passieren, vor allem am ersten Tag in einer neuen Schule in einem fremden Land. Wahrscheinlich sollten wir Cheyenne noch eine Chance geben. Schätzungsweise war sie nur ein bisschen eingeschüchtert und vielleicht auch nervös, obwohl sie nicht so aussah. Eigentlich wirkte sie ziemlich selbstsicher.
Trotzdem: Auch selbstsichere Menschen haben manchmal einen schlechten Tag. Das sagt jedenfalls meine Mom und das kam auch schon mal im Fernsehen. Deshalb wollte ich Cheyenne nicht gleich nicht mögen und noch weniger hassen (denn: Man soll niemanden hassen . Das ist auch eine Regel.
Obwohl natürlich viele Leute es verdient haben, gehasst zu werden: Mörder zum Beispiel und Leute,
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