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Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Titel: Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Potente
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Schuhe bedeckt von Staub.
    Dann kamen die Worte.
    »Es tut mir leid, dass ich dich nicht mehr gesehen habe …«, hörte er sich sagen. »Ich habe es selbst nicht mitbekommen, wie wir uns voneinander entfernt haben, es stimmt, dass ich …« Rasch sah er sich um. Immer noch kein Mensch. »Das Verrückte ist, ich habe dich immer geliebt … zumindest erinnere ich mich nicht daran, irgendwann gedacht zu haben, dass ich dich nicht mehr liebe oder dass ich mich trennen will von dir … Ich habe einfach nie darüber nachgedacht … Ich habe dich für selbstverständlich genommen, das weiß ich jetzt.« Er stockte. Atmete heftiger, es ging bergauf.
    »Ich war einfach zu blöd, zu beschäftigt, um zu wissen, dass eine Beziehung auch Arbeit ist, dass man anwesend sein muss … Jedenfalls verstehe ich, dass du und Peter … dass ihr was miteinander angefangen habt … Er war ein guter Kerl …«
    Tim unterbrach sich. Ein älteres Paar mit Hund kam ihm entgegen. Grüßte.
    Einige Minuten lief er still weiter. Der Weg führte jetzt steiler bergauf. Es war anstrengend. Er schwitzte. Seine Oberschenkel und Waden begannen zu schmerzen. Er spürte seinen Rücken, und dennoch tat die Anstrengung gut. Mit sich ins Reine kommen.
    Ein kräftiger Wind wehte, er schloss die Jacke.
    Mit zusammengekniffenen Augen blickte er über dichten Wald hinweg in ein Tal der Hollywood Hills, der Mulholland Drive schlängelte sich irgendwo dort unten durchs Grün.
    Er hielt an, setzte sich auf einen großen Stein und zündete sich eine Zigarette an.
    »Jedenfalls vermisse ich dich … aber es ist okay so, ich habe das Gefühl, mein Leben fängt jetzt wieder neu an … Ich hab so viel verpasst, übersehen … vieles tut mir leid …« Nach einer Weile fügte er hinzu: »Ich wünschte, wir könnten uns jetzt noch einmal kennenlernen«
    Das war’s. Er ließ die Worte nachhallen und hatte das Gefühl, dass sie Liz erreichten, irgendwie.
    Sorgfältig trat er die Zigarette aus und steckte den Stummel in die Hosentasche.
    Dann trat er den Abstieg an. Es wurde Zeit.
    Beim Supermarkt hielt er an und kaufte Vorräte ein. Tiefkühlpizza, Dosensuppen, Brot, Aufschnitt, Cola, Bier, Klopapier. Die nächsten Tage würde er das Haus nicht verlassen. So viel wusste er.
    Es war spät geworden, das Licht bläulicher.
    Er schloss die Haustür auf. Das Schloss würde er reparieren müssen. Als er in den Flur trat, roch er die Putzmittel. Es roch sauber. Mercedes und die andere Frau waren dabei, ihre Sachen zusammenzupacken. Sie sahen erschöpft aus. Müde, verschwitzte Gesichter.
    Er gab ihnen ein großzügiges Trinkgeld und bedankte sich ausführlich. Mercedes wies mit der rechten Hand ins Wohnzimmer. »Da ist ein großer Stuhl geliefert worden.«
    Der Holzfußboden glänzte. Ehrfürchtig zog er die Schuhe aus. Kein Hauch von Zigarettengestank mehr. Das Wohnzimmer sah fast aus wie bei einer Hausbesichtigung. Blitzblank. Leer. Wie neu.
    Abendlicht fiel durch die halb geöffneten Gardinen. Der Raum wirkte groß. Ohne Möbel und Teppich ein ungewohnter Anblick. In der Mitte des leeren Raums stand der Lazyboy. Majestätisch. Einladend.
    Zärtlich strich er über das rote Leder. Drehte den Stuhl so, dass der Blick in den Garten ging. Er konnte es nicht abwarten, sich dem gigantischen Möbelstück zu überlassen. Doch zuerst zwang er sich, die Einkäufe auszupacken. Die Frauen hatten ganze Arbeit geleistet. Auch die Küche war sauber und ordentlich. Ein neuer Anfang.
    Schließlich stellte er zwei Flaschen Wasser neben dem Sessel ab, legte behutsam eine gefaltete Wolldecke auf die Lehne, strich noch einmal mit der Hand über das weiche Leder und ließ sich mit einem tiefen Seufzen in den Sessel sinken. Endlich.
    Mit der Fernbedienung fuhr er die Fußstütze fast bis in die Waagerechte. Die Rückenlehne glitt ein wenig zurück. Er überließ dem Lazyboy sein ganzes Gewicht.
    Die Terrassentür hatte er offen gelassen. Er hörte das ferne Zwitschern der Vögel am Abend. Spürte die heraufziehende Kühle. Er breitete die weiche Decke über seine Beinen aus. Dann lag Tim Wilkins nur da und beobachtete, wie das letzte Licht des Tages über das Parkett wanderte, bis die Sonne ganz untergegangen war.
    Zeit floss dahin, dehnte sich aus, zog sich zusammen.
    Die Augen halb geöffnet, saß er im dunklen Zimmer. Es war vollkommen still. Sein Kopf frei von Gedanken.
    Er war angekommen im Hier und Jetzt.

21
    Licht kam und ging. Auf den Augenlidern spürte er Wärme. Unendlich

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