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Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Titel: Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Potente
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langsam wanderten Hell und Dunkel durch den Raum. Über die Wand, das Parkett, dann über seine Füße, über Beine, Bauch, Gesicht, hinüber zur anderen Wand. Mal klar und warm, dann bläulich kühl, grell und heiß. Stunde um Stunde verging, Tage und Nächte.
    Er war eins geworden mit dem Sessel, der ihn trug und nicht im Stich ließ.
    Nur ab und zu stand er auf, um zur Toilette zu gehen.
    Sein Kopf war hellwach. Das Leben kehrte zurück in seine müde Hülle. Seine Gedanken und Erinnerungen kehrten zu ihm zurück, erst zaghaft und langsam.
    Dann erinnerte sich Tim Wilkins immer konkreter an die Dinge, die irgendwo ganz hinten in den dunklen Ecken seines Kopfes verborgen lagen.
    Peter am Steuer. Der silberne Ford. Links das Meer, die Musik aufgedreht. Er auf dem Beifahrersitz. Beide hatten die Fenster heruntergelassen. Rauchten. Der Wind knallte. Eigentlich hatte Tim vor über zwanzig Jahren aufgehört zu rauchen. Aber dies war ihr Männerwochenende. Eine Ausnahme.
    Noch eine Stunde bis Summerland. Aus dem Augenwinkel betrachtete er Peter. Er sah gut aus. Hatte ein bisschen etwas von einem italienischen Schauspieler, fand Tim. Braun gebrannt, zarte Falten um die Augen, glatt rasiert. Kräftiges dunkles Haar, das im Wind wehte. Frühe graue Schläfen.
    Markantes Profil.
    Scharf gezeichnete Lippen, die oft ein sanftes Lächeln umspielte. Peter saß aufrecht, sah konzentriert auf die Straße. Tim bemerkte etwas Versonnenes in seinem Blick. Etwas Besorgtes? Ja, der Blick ging nicht auf die Straße vor ihm, er ging nach innen.
    Summerland. Zwei Stunden später prosteten sie sich mit kaltem Bier zu. Die Zelte standen. Die Würstchen lagen glänzend auf dem kleinen Grill. Liz hatte Suppe in eine Thermoskanne gefüllt und Kartoffelsalat eingepackt. Das Bier hatten sie unterwegs besorgt.
    »Doreen und ich schlafen in getrennten Schlafzimmern«, sagte Peter. Er stand mit hängenden Schultern da. Öffnete ein zweites Bier. Tim hatte ihn nie so niedergeschlagen gesehen.
    »Tim, sie hat Depressionen. Schmerzen seit der Hüft- OP  … Sie nimmt seit Monaten Psychopharmaka, es geht uns nicht besonders.«
    Sie hatten nachdenklich in die Dunkelheit gelauscht.
    Gegessen, geraucht und getrunken. Peters besonnene Art zu sprechen hatte etwas berührend Aufrichtiges. Wie er nach Worten suchte und dann genau die richtigen fand. Er fand immer gute Worte, Schwieriges zu beschreiben.
    Was ihm und Doreen passierte, passierte einfach so. Es konnte in jeder Ehe passieren. Irgendwann würde es allen so gehen.
    Nur wer jung war, glaubte fest daran, eine Ausnahme zu bilden. Liebe auf ewig. Romantik, die nie endet? Was für eine Illusion. Irgendwann ließ das Verlangen nach. Unsicherheit zog ein. Man wurde sich fremd. Betrachtete den anderen von der anderen Seite des Raumes und stellte sich ein Leben ohne ihn vor.
    Wenn Tim ehrlich war, ging es ihm und Liz doch nicht anders.
    Tim mochte Doreen. Er hoffte, dass sich die Situation zwischen ihr und Peter bessern würde. Unmöglich, dass sich dieses liebevolle Paar nichts mehr zu sagen hatte. Es beunruhigte ihn, was Peter sagte, war seiner und Liz’ Situation zu ähnlich.
    Schweigend blickten sie in die Glut. Peter hatte eine Flasche Gin mitgebracht. Sie tranken aus weißen Pappbechern. Tim wurde das Gefühl nicht los, dass Peter noch etwas zurückhielt. Aber als der Abend hereinbrach, waren sie bereits zu betrunken, um weiterzusprechen.
    Unweit vom Campingplatz gab es einen Stripclub. Da würden sie hingehen. Weitertrinken.
    Sie liefen den Pacific Coast Highway entlang. In Shorts. Es war dunkel. Keine Straßenlaternen. Hin und wieder fuhr ein Auto vorbei. Sie sangen Phish-Songs, sie waren gelöster. Peter stieß ihn gelegentlich an beim Gehen. Er vertrug weniger als Tim.
    Der Weg war weiter, als sie erwartet hatten. Meer und Wind rauschten in der Dunkelheit. Peter pinkelte hinter einen Busch am Straßenrand. Tim hörte ihn leise fluchen, als er sich die nackten Beine aufkratzte. Zurück auf der Straße, fiel er fast hin. Hielt sich an Tims Schulter fest. Er roch nach Zigaretten und Alkohol.
    »Und ihr? Du und Liz? Alles in Ordnung?«
    Die Frage überraschte Tim. »Ja. Alles in Ordnung.« Er hätte sagen können, dass ihre Ehe nicht gut war, dass er manchmal tagelang kaum ein Wort mit seiner Frau wechselte und sie manchmal nachts ins Kissen weinen hörte. Warum tat er es nicht?
    Im Stripclub war Peter wie ausgewechselt. Alles Düstere schien von ihm abgefallen zu sein. Es waren kaum andere Gäste

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