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Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Titel: Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Potente
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da. Wie ein Mittzwanziger bestellte er mit großer Geste zwei Flaschen Champagner. Als hätten sie etwas zu feiern. Sofort kamen ein paar Girls wie aus dem Nichts an ihre Plätze. Schwingende Hüften. Stark geschminkte junge Gesichter, aufdringliches Parfüm. »Wollt ihr Jungs Gesellschaft?«
    Peter schäkerte mit ihnen herum. Lud sie ein, tätschelte ihnen den Po und berührte ihre Brüste.
    Es fiel Tim schwer mitzuhalten. Still beobachtete er den Freund. Er hatte ihn selten so gelöst gesehen. So vulgär. Es berührte ihn seltsam unangenehm, ihn so zu sehen.
    Er dachte an Doreen, als Peter ihm zuprostete. Wie sie jetzt allein in ihrem Bett lag und vielleicht las. Ein Glas Wasser und Medikamente auf dem Nachtkästchen.
    Die Flaschen Champagner waren längst leer. Peter war wieder zu Gin übergegangen. Er badete in der gespielten Neugier und Bewunderung der Mädchen. Charmant verteilte er Komplimente. Küsste ihre Hälse. Lachend vergrub er sein Gesicht zwischen den Brüsten einer Blonden. Sie biss ihm ins Ohr.
    Es kam zu einem Gerangel, harmlos. Dann forderte sie ein Typ, der breiter war als beide zusammen, auf zu gehen.
    Kurz darauf liefen sie zurück zum Campingplatz. Es war jetzt kühl. Klarer Sternenhimmel über ihnen. Sie waren wieder wacher, nüchterner.
    Das Meer wie eine silberne Scheibe im Mondlicht.
    Windstille.
    Auf dem Campingplatz standen nur wenige Autos, kaum Zelte. Sie ließen sich ins klamme Gras vor ihre Zelte fallen und rauchten. Tranken das letzte Bier. Tim war müde. Der Gin im Stripclub hatte auch ihn geschafft.
    Peter setzte sich auf, warf die Zigarette weg. Er war plötzlich überraschend nüchtern. »Ich weiß, dass du Liz geschlagen hast.«
    Der Satz kam aus dem Nichts.
    »Was?«
    Peter fixierte ihn. Biss hart die Kiefer aufeinander. »Sie hat es mir gesagt.«
    Tim setzte sich auf. Wie nach einer unsichtbaren Ohrfeige. »Das geht dich nichts an.« Hatte Peter den ganzen Abend lang nur darauf gewartet, ihm dies zu sagen?
    »Wieso schlägst du deine Frau?« Peter klang wütend. Wütender, als angemessen.
    »Verdammt, halt dich da raus!«
    Tim musste sich zurückhalten, um nicht sofort zuzuschlagen.
    Da sprang Peter auf die Füße und riss ihn am Kragen hoch. Tim torkelte, geschwächt vom Alkohol.
    »Du solltest froh sein, dass du sie hast, du Idiot!« Peters Gesicht war rot vor Zorn.
    Tim versuchte, ihn wegzuschubsen, doch Peter wich geschickt aus. Er war schmaler, leichtfüßiger. »Und? Schlägst du mich jetzt auch?« Kurz tauchte er in der Dunkelheit ab. Hob etwas vom Boden auf.
    Tim starrte den Freund ungläubig an. Was ging hier vor? Er bemerkte Hass in Peters Augen.
    »Jetzt pass mal auf, wie sich das anfühlt …« Peter holte blitzschnell aus.
    Etwas traf Tim hart an der Schläfe. Er fühlte einen stechenden Schmerz, stürzte und blieb am Boden liegen.
    Peter ließ den Stein fallen und lief zum Platzwart hinüber.
    Es war früher Morgen. Kühle Luft zog herein. Langsam erhob er sich und schloss die Terrassentür. Er trank ein Glas Wasser und ging aufs Klo. Das leere Haus strahlte eine große Ruhe aus. Dann legte er sich wieder in den Lazyboy, schloss die Augen. Die Gedanken kamen von ganz allein. Ihr Hochzeitstag …
    Agnes band die Krawatte. Seine Handflächen schwitzten. Schweißperlen standen ihm auf der Oberlippe. Seine Schwester blickte ihn prüfend an. Sie trug ein altmodisches taubenblaues Kleid, das ihre Figur unvorteilhaft betonte. In ihren Zügen sah er die Mutter. Verhärmte Sanftheit. Agnes und er waren einander fremd geworden.
    »Mach dir nichts draus, dass der Alte nicht gekommen ist. Ist besser so.«
    An den Vater hatte er in diesem Moment gar nicht gedacht. Es hatte ihn nicht überrascht, als er ihm über die Schwester hatte mitteilen lassen, er würde es nicht zur Hochzeit schaffen. Sie sprachen seit Jahren nicht mehr miteinander. Es gab nichts mehr zu sagen.
    Seit Tim ihn mit siebzehn am Handgelenk festgehalten hatte. Der Alte hatte wieder den Gürtel herausgezogen. Besoffen war er gewesen. Es war leicht, ihm den Lederriemen abzunehmen. Er erinnerte sich an den fassungslosen Blick seines Vaters. Wie überrascht er gewesen war über den Widerstand.
    Tim hatte ihn bereits damals überragt. Er stieß seinen Vater grob auf die Couch. Hieb ihm wieder und wieder das Leder über den Rücken, bis Blut durchs Hemd trat und er zu Boden gegangen war. So, wie der Vater es jahrelang mit ihm und Agnes getan hatte. An dem Tag hatte er ihm den Schmerz all der Jahre

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