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Allwissend

Allwissend

Titel: Allwissend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Entriegelungshebel zu ziehen. Tammy streifte sich mühsam die Schuhe ab und versuchte es von Neuem. Ihr Kopf drückte sich fest gegen den Teppich, und ihre Füße hoben sich quälend langsam dem schimmernden Handgriff entgegen. Sie bekam ihn zu beiden Seiten mit den Zehen zu fassen und presste die Beine so fest zusammen, dass ihre Bauchmuskeln zitterten.
    Jetzt!
    Mit Krämpfen in den Beinen zog sie den Geist nach unten. Ein leises metallisches Geräusch. Ja! Es funktionierte!
    Aber dann stöhnte sie entsetzt auf. Sie hatte mit ihren Füßen den Handgriff herausgezogen, ohne den Kofferraum zu öffnen. Der grüne Geist lag nun neben ihr. Der Kerl musste das Kabel durchgeschnitten haben! Und zwar gleich nachdem er sie in den Kofferraum geworfen hatte. Der Griff hatte nur noch locker in der Öse gebaumelt, ohne weiterhin mit dem Entriegelungskabel verbunden zu sein.
    Sie steckte fest.
    Bitte, hilf mir doch jemand, betete Tammy erneut. Zu Gott, zu einem Passanten, sogar zu ihrem Entführer, der vielleicht doch noch etwas Mitleid mit ihr haben würde.
    Aber die einzige Antwort war das ungerührte Gluckern des Salzwassers, das allmählich in den Kofferraum sickerte.
     
    Das Peninsula Garden Hotel liegt versteckt in der Nähe des Highway 68 - jener ehrwürdigen Trasse, die ein mehr als dreißig Kilometer langes Diorama namens »Die vielen Gesichter von Monterey County« darstellt. Die Straße schlängelt sich von der Salatschüssel der Nation - Salinas - nach Westen und streift dabei das grüne Tal des Himmels, die dynamische Rennstrecke Laguna Seca, diverse Bürobauten und Firmengelände, dann das staubige Monterey und das von Kiefern und Hemlocktannen geprägte Pacific Grove. Am Ende entlässt der Highway die Fahrer - zumindest jene, die die abwechslungsreiche Strecke auf voller Länge befahren - am legendären Seventeen Mile Drive, der Heimat einer hier weitverbreiteten Spezies: Leute mit Geld.
    »Nicht schlecht«, sagte Michael O'Neil zu Kathryn Dance, als sie aus seinem Wagen stiegen.
    Der Blick der Frau wanderte durch eine schmale Brille mit grauem Gestell über das in einer Mischung aus spanischem und Art-deco-Stil gehaltene Haupthaus und das halbe Dutzend angrenzender Gebäude. Das Hotel besaß Klasse, wenngleich es ein wenig altmodisch und angestaubt wirkte. »Schick. Gefällt mir.«
    Während sie dort standen und in der Ferne gerade so eben noch der Pazifische Ozean zu sehen war, versuchte Dance, eine Expertin für Kinesik - Körpersprache -, ihren Begleiter zu durchschauen, aber der Chief Deputy aus der Ermittlungsabteilung des Monterey County Sheriff's Office erwies sich als harte Nuss. Der stämmige Mittvierziger mit dem grau melierten Haar war freundlich, aber still, solange er seinen Gesprächspartner nicht gut kannte. Und sogar dann blieb seine Mimik und Gestik eher sparsam. Aus kinesischer Sicht gab er nur wenig von sich preis.
    Im Augenblick jedoch erkannte Dance, dass er kein bisschen nervös war, trotz des Anlasses für ihre Fahrt hierher.
    Ganz im Gegensatz zu ihr selbst.
    Kathryn Dance, eine schlanke Frau Mitte dreißig, hatte ihr dunkelblondes Haar heute wie so oft zu einem festen Zopf geflochten, der in einem leuchtend blauen Band endete. Ihre Tochter hatte es an jenem Morgen für sie ausgesucht und zu einer ordendichen Schleife gebunden. Dance trug einen langen schwarzen Faltenrock sowie ein passendes Jackett über einer weißen Bluse, dazu schwarze Halbstiefel mit fünf Zentimeter hohen Absätzen. Sie hatte diese Schuhe monatelang bewundert, sich mit dem Kauf dann aber nur so lange zurückhalten können, bis sie im Preis herabgesetzt worden waren.
    O'Neil hatte eine seiner drei oder vier Zivilmonturen angelegt: Stoffhose, blassblaues Hemd, keine Krawatte. Sein Sakko war dunkelblau, mit leichtem Karomuster.
    Die Miene des livrierten Portiers, eines fröhlichen Latinos, schien zu besagen: Ihr seid aber ein hübsches Paar. »Willkommen. Ich hoffe, Sie werden Ihren Aufenthalt genießen.« Er öffnete ihnen die Tür.
    Dance lächelte O'Neil verunsichert zu, und sie gingen durch die luftige Eingangshalle zur Rezeption.
     
    Vom Hauptgebäude aus machten sie sich auf den Weg über das verschachtelte Hotelgelände und suchten nach dem Zimmer.
    »Ich hätte nie gedacht, dass es dazu kommen würde«, sagte O'Neil zu ihr.
    Dance lachte leise auf und ertappte sich belustigt dabei, dass ihr Blick sich immer wieder auf die umliegenden Türen und Fenster richtete. Es war eine kinesische Reaktion, die erkennen

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