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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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ein bleistiftstrichdicker Schnurrbart schmückte sein rundliches Gesicht. Er verkaufte kaum etwas an einem solchen Tag, schien sich deswegen aber auch keine Sorgen zu machen – irgendwie würde Gott sich schon darum kümmern, dass er nicht verhungerte. Gott?
    Birne war, nur um mal zu schauen, wie die Gockel aussahen, näher herangetreten und hatte festgestellt, dass außer dem einen handgemalten Schild in einer Plastikhülle mit den bescheidenen Preisangaben noch zwei weitere an der Wand des Wagens hingen, die die Aufschrift trugen: ›Gott hält seine Hand über dich‹ und ›Ich danke meinem Herrn für die Erschaffung des Menschen‹.
    Der Verkäufer hatte Birne und sein Interesse an ihm bemerkt und löste seinen Hintern von der Ablage. Birne zog sich zurück, bevor es zu spät war, wandte sich einer Gruppe junger Menschen zu, die vor dem Haupteingang des Bahnhofs in der Sonne lagen und sich gegen ihre großen Rucksäcke lehnten. Birne schritt an ihnen vorbei in die Halle. Dort herrschte ruhiger Nachmittagsbetrieb, wenige wollten fort, noch weniger kamen an, die Hitze war überall die gleiche, was wollte man also hier, ein Bahnhof ist schließlich kein Baggersee. Birne gelangte zu den Gleisen und blieb dort stehen. Im Schatten, der aber nicht viel brachte.
    Er achtete auf ausländische Gesichter und fand keines verdächtig, es aber bald lächerlich, einen Menschen so einzustufen. Er war im Polizeidienst schnell so geworden, wie er nie sein wollte. Ihm fiel nun erst auf, dass ihn die Gott-Sprüche auf dem Imbisswagen hätten skeptisch machen müssen. Er hatte es wahrscheinlich mit einem Radikalen zu tun und hätte gleich handeln müssen. Birne fragte sich, ob er ein guter Polizist sein konnte, wenn er so langsam reagierte, beschloss dann aber, dass die Temperatur manches entschuldigte. Jemand, der so viel schwitzte wie er und so viel Flüssigkeitsverlust verarbeiten musste, konnte nicht zu 100 Prozent funktionieren.

     
    Eine Uniformierte hielt auf ihn zu. Wo hatte sie ihren Kollegen gelassen? Er kannte sie. Sie war Anwärterin im letzten Jahr, praktisch Kommissarin und er ihr einen kleinen Schritt voraus. Konnte er doch nichts dafür, dass sie ihn diese Stufe hatten überspringen lassen, dass er gleich voll hatte einsteigen dürfen, weil ein Bedarf war an fähigen Polizisten. Als Anwärterin durfte sie noch nicht allein auf Streife gehen. Niemals. Wollte der Kollege im Mc Clean einen Euro für etwas hinaushauen, was die Hunde, sogar die Hunde auf der Straße, umsonst hatten? Wollte er Sandwiches besorgen? All das durfte er nicht. Er durfte die ihm anvertraute Anwärterin nicht allein lassen.
    Birne könnte beide anschwärzen, ihnen eine Verwarnung wegen der Sandwiches im Dienst einbrocken. Er würde das nicht machen. Er kannte sie persönlich und den Kollegen vom Sehen. Ihr Name war Tanja. Sie war mittel, von der Größe. Volle Backen, nicht dick, aschblondes Haar, polizistisch zu einem Pferdschwanz gezähmt. Schmale, ziemlich blutleere Lippen, die nicht recht zu den relativ sinnlichen und spitzen Augen passten. Denen hatte sie nachgeholfen mit Kajal, und jetzt wirkten sie auch, gab Birne zu. Die Augen, der Rest ließ ihn kalt. An so einem Tag.
    Sie blinzelte ihm zu. Sie durfte ja nicht zu erkennen geben, dass sie sich kannten. Er war in Zivil und sollte nicht auffliegen. So wie er rumlief, fiel er zwar auf, wurde aber vor allem für einen Deppen gehalten. Er drehte sich weg, als sie ihm zum zweiten Mal zulächelte. Die konnten ihn jetzt mal. Wenn die sich das erlaubten, konnte er sich auch etwas herausnehmen. Stracks steuerte er seinen Chickenmann an und verlangte von ihm ein halbes Gebratenes, was dieser mit einem Lächeln und einem »Gern« quittierte.
    Der Mann hantierte mit seinem Grill und seiner Geflügelschere, Birne schwitzte vor dem Wagen, im Rücken die Hitze der Sonne, von vorn die des Grills. Er bereute es beinahe, bis er endlich in einer Plastiktüte den toten Vogel mit einer einen halben Tag alten Semmel und sieben Papierservietten überreicht bekam.
    »Schönen Tag noch und vielen Dank«, sagte der Brater und lachte.
    Birne sagte: »Ebenfalls«, und drehte sich verloren um. Er suchte nach einem Platz, an dem er sorglos genießen konnte und entschied sich für die abseits gelegenen Stufen der Bahnhofsfrontseite. Beim Setzen beschmutzte er sich den Mantel, es war ihm egal. Während des Auspackens verbrannte er sich die Hände. Er dachte: Hoffentlich ist er schön durch, und dann entdeckte er rosa

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