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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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ich mich um einen Verleger für Sie kümmern. Ich habe Kontakte da draußen, die könnte ich nutzen.«
    »Stimmt, das hätt auch was. Richtiger Glückstag heute für mich, was? Birne, ich werde mir Mühe geben, dass es für Sie auch einer wird.«
    Und der Graue fing an, vor Birne sein Leben auszubreiten.

     

     

3. Supermarkt
    Blass und verloren stolperte die junge Frau durch die Reihen voller Angebote. Sie machten ihr Angst und sie hatte den Eindruck, fremde Drogen konsumiert zu haben. In ihren Augen standen Salz gewordene Tränen. Sie suchte hier nach jemandem, den sie ansprechen konnte, der nicht belästigt weglief, wenn sie das Wort an ihn richtete. Dabei ließ sie sich schamlos zusehen. Man hoffte, dass sie bald stürzte, irgendwie zwischen den Regalen, damit ein Notarzt gerufen werden konnte und die Erscheinung zu einem echten Spektakel anwachsen konnte.
    Ein Mann, der sein gutes Herz am offenen Leib trug, hielt es schließlich nicht mehr aus und sprach sie an – die anderen im Laden taten plötzlich alle sehr beschäftigt und wandten sich wieder ihren Wägen zu.
    »Kann man Ihnen helfen?«, fragte er und berührte sie kurz an der Schulter, was sie zusammenzucken ließ wie der Anblick einer Vogelspinne in der Käseauswahl.
    »Helfen Sie mir, bitte«, antwortete sie mit verschwindender Stimme.
    »Geht es Ihnen nicht gut?«, wollte der Hilfsbereite wissen.
    »Helfen Sie mir«, sagte sie wieder und der Verdacht kam auf, es hier doch mit einer Konsumentin zu tun zu haben. Die anderen lachten schon über den Mann, der sich mit seiner Liebe zu allen Menschen ein Drogenmädchen an Land gezogen hatte.
    Ein großer Mann mit einem Furcht einflößenden Auftreten kam dazu, sagte mächtig: »Da bist du. Aha«, und griff sie an der Schulter, kräftig. Sie ließ das geschehen, ließ sich wegziehen. Hier stimmte was nicht, wenn das so mühelos geschehen konnte. Dafür war der Hilfsbereite zu klein. Da musste ein richtiger Mann her, der auch die Polizei rufen konnte. Man liest genug darüber. Diese Menschen sind krank und der Menge ausgeliefert, nur ihrem Opfer gegenüber sind sie stark. Man konnte zugreifen und schon morgen sein Bild in einer Zeitung unter der Überschrift ›Held des Tages‹ bewundern. Man musste jetzt nur handeln. Keiner traute sich mehr. Die beiden, der große Mann und das blasse Mädchen waren weg, durch die Glastür verschwunden, bevor jemand was unternehmen konnte. Keiner konnte sagen, ob man einen Tag oder nur vier Sekunden hatte verstreichen lassen. Man hatte die Zeit einfach verstreichen lassen und nun war es zu spät. Super. Ein Opfer vor der Haustür mehr, dem man hätte helfen können. Gegen eine halbe Milliarde Chinesen, die wir jeden Tag ausbeuten, nur um billiges Sportleder an unseren Sohlen zu tragen. Eine vor der Haustür gegen eine halbe Milliarde auf der anderen Seite dieser Erde.

     

     

4. Krankenhaus
    »Na, wie sieht’s aus? Bekommen sie dich wieder hin oder kann ich den Kranz kommen lassen?«
    Der Mann, der da neben ihm am Bettrand saß, passte nicht zu diesem Satz, dieser Mann war zu fein für so etwas, er war nicht der Tod. Birne verdankte ihm viel. Eine beinahe schmächtige Statur mit einem schmalen Gesicht, tiefe Lachfalten als Zeichen einer inneren Zufriedenheit. Lebendig in der Realität wühlende blaue Augen, von grauen Strähnen unterbrochene schwarze Locken, gerade Zähne in einem verwegenen Stoppelfeld von Bart: Trimalchio , Birnes Vorgesetzter, der, der ihn an Bord geholt hatte, saß nun am Bett und besuchte ihn und wollte auch was, das er gleich rauslassen würde.
    »Geben sie dir Zeitungen zu lesen?«, fragte Trimalchio und blickte sich verschwörerisch um; da lag der Graue und atmete schwach.
    »Ich bin hier nicht im Gefängnis«, antwortete Birne.
    »Gut.« Dann merkte Trimalchio , dass er etwas vergessen hatte: »Was ist es denn jetzt los mit dir? Muss ich mir Sorgen machen?«
    »Nein«, beruhigte Birne den Vorgesetzten. »Keine Sorge, war nur eine kleine Kreislaufschwäche wegen der Hitze und dem Mantel, den ich zu tragen hatte wegen der Waffe, die nicht zum Einsatz kam, aber beinahe in falsche Hände geriet.« Der letzte Satz klang vorwurfsvoll und die nun folgende Frage auch: »Kannst du mir ein Glas Wasser holen?«
    »Ich hab was Besseres!«, grinste Trimalchio und schob seinen Mantel, der sich nicht sehr von Birnes unterschied – er signalisierte nur eine höhere Position –, beiseite, schüchtern wie ein debütierender Exhibitionist. Es kam eine

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