Als die Uhr dreizehn schlug
aber er durfte auch nicht mit anderen Leuten Zusammenkommen, denn vielleicht hatte er sich bereits bei Peter angesteckt. Glücklicherweise hatten beide Kitsons die Masern schon gehabt.
Sie fuhren weiter durch Ely und die Marschlandschaft der Fens und erreichten schließlich Castleford. Auf der anderen Seite der Stadt lebten die Kitsons, in einem großen Haus, das in Mietwohnungen aufgeteilt worden war. Um dieses Haus scharten sich kleinere Häuser aus jüngerer Zeit, sie drängten sich gleichsam bis an seine Türschwelle wie ein unruhiges Meer aus Erkerfenstern und Giebelwänden und Zinnen. Es war das einzige große Haus im Umkreis; in die Länge gezogen, schlicht, erhaben. Alan Kitson hupte und bog in den Zufahrtsweg ein – der allerdings zu kurz war, um heute als Weg zu gelten. »Vor dem Haus gab es früher wohl mehr Platz, bis sie gegenüber gebaut haben und auch die Straße verbreitern mussten.« Er hielt vor einer säulenbestandenen Tür. Tante Gwen kam heraus, sie lachte und machte Anstalten, Tom zu küssen. Sie zog ihn ins Haus und Onkel Alan folgte mit dem Gepäck.
Unter Toms Füßen lagen kalte Steinplatten und in seine Nase drang der Geruch alten Staubs, den keiner für nötig befunden hatte zu wischen. Er sah sich um und ihn schauderte. Der Flur des großen Hauses war nicht schäbig oder hässlich, sondern abweisend. Er lief durch das Herz des Hauses – mittendurch von vorne bis hinten, mit einer Abzweigung zum Fuß der Treppe, weshalb er wie ein großes T aussah – und das Herz des Hauses war leer – kalt – tot. Jemand hatte grellbunte Reiseplakate an die hohen, grauen Wände gepinnt; jemand anderes hatte eine Wäschebox in einer Ecke stehen lassen; weit hinten vor einer Tür standen leere Milchflaschen mit einer Nachricht für den Milchmann: Nichts von alldem schien wirklich in den Flur zu gehören. Er blieb leer und stumm – stumm, wenn man von Tante Gwens eifrigen Fragen nach Toms Mutter und Peters Masern absah. Als ihre Stimme einen Moment abflaute, hörte Tom das einzige Geräusch, das übrig blieb: das Tick, Tick, Tick einer großen Standuhr.
»Nein, fass sie nicht an, Tom«, sagte Gwen, als er auf die Uhr zutrat. Sie senkte die Stimme. »Sie gehört der alten Mrs Bartholomew von oben, und die ist da ganz eigen.«
Tom hatte noch nie das Innere einer Standuhr gesehen und er dachte, das wäre vielleicht etwas für später, wenn niemand dabei war: Ein Blick konnte nichts schaden. Den Rücken der Uhr zugekehrt, mit Unschuldsmiene weiter mit der Tante redend, schob er die Fingernägel unter die Tür des Pendelkastens, um zu probieren, ob…
»Wenn Mrs Bartholomew so eigen ist, warum nimmt sie die Uhr dann nicht hoch zu sich?«, fragte Tom. Sachte hob er die Fingernägel an. Die Tür gab nicht nach…
»Weil die Uhr hinten an die Wand geschraubt ist und die Schrauben eingerostet sind«, sagte Tante Gwen. »Geh jetzt bitte weg von der Uhr, Tom. Komm hoch zum Tee.«
»Oh!«, sagte Tom, als ob er nicht bemerkt hätte, wo er stand. Er trat beiseite. Der Pendelkasten war verschlossen.
Sie waren auf dem Weg nach oben in die Wohnung der Kitsons, als die Standuhr mit würdevollem Nachdruck eins schlug. Onkel Alan runzelte die Stirn und machte eine abschätzige Bemerkung. Die Uhr ging richtig – ihre Zeiger wiesen nun auf fünf – doch sie entschied sich selten dafür, die richtige Stunde zu schlagen. Auf das, was sie schlug, sei keinerlei Verlass, sagte Onkel Alan. Zudem sei der Klang der Uhr so durchdringend, dass er sogar oben, wenn er nachts im Bett liege, hören könne, wie unzuverlässig sie sei. Sie waren im ersten Stock, wo die Kitsons wohnten. Gegenüber führte eine schmale Treppe nach oben zur Dachwohnung von Mrs Bartholomew, der die Standuhr gehörte und auch das ganze Haus. Sie war die Vermieterin und die Kitsons – wie die anderen Bewohner – waren ihre Mieter.
»Das ist unsere Wohnung, Tom«, sagte Tante Gwen, »und hier ist das Gästezimmer – dein Schlafzimmer. Ich hab dir Blumen reingestellt und Bücher, damit du was zu lesen hast.« Sie lächelte ihn an und in ihren Augen lag die Bitte, es möge ihm hier doch gefallen.
Das Zimmer war hoch, doch ansonsten nur mittelgroß. Es gab noch eine zweite Tür, die der Eingangstür glich. Das hohe Fenster – in große Rechtecke eingeteilt – war eines von denen, die er von draußen gesehen hatte. Tom hatte sich darauf eingestellt, den dankbaren Gast zu spielen, doch – »Da ist ja ein Gitter unten am Fenster!«, brach es aus ihm
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