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Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Titel: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kerr
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und sah Paris langsam zurück-gleiten.
    »Wir werden zurückkommen«, sagte Papa.
    »Ich weiß«, sagte Anna. Sie erinnerte sich an das Gefühl, als sie für die Ferien in den Gasthof Zwirn zurückgekommen waren und fügte hinzu: »Aber es wird nicht dasselbe sein - wir werden nicht mehr hierher gehören. Glaubst du, daß wir jemals irgendwo richtig hingehören werden?«
    »Ich glaube nicht«, sagte Papa, »nicht so, wie die Menschen irgendwo hingehören, die ihr Leben lang an einem Ort gewohnt haben. Aber wir werden zu vielen Orten ein wenig gehören, und ich glaube, das kann ebenso gut sein.«
    Die Herbststürme hatten in diesem Jahr früh eingesetzt, und als der Zug Dieppe gegen Mittag erreichte, lag die See wild und dunkel unter einem grauen Himmel. Sie hatten sich für die längere Überfahrt von Dieppe nach Newhaven entschieden, weil sie billiger war. Und das trotz Papas neuem Reichtum.
    »Wir wissen nicht, wie lang wir mit dem Geld werden auskommen müssen«, sagte Mama.
    Sobald das Schiff den Hafen von Dieppe verließ, begann es zu schaukeln und zu rollen, und Annas Begeisterung über ihre erste Seereise verflog schnell.
    Anna, Max und Mama beobachteten gegenseitig, wie ihre Gesichter immer blasser und grüner wurden und mußten schließlich nach unten gehen und sich hinlegen. Nur Papa war nicht betroffen. Wegen des schlechten Wetters dauerte die Überfahrt sechs Stunden statt der üblichen vier, und schon lange bevor sie anlegten, hatte Anna jedes Interesse an England verloren: Hauptsache sie kamen hin. Als sie dann endlich da waren, war es zu dunkel, um irgend etwas zu sehen. Der Bootszug war längst abgefahren, und ein freundlicher aber unverständlicher Gepäckträger setzte sie statt dessen in einen Bummelzug nach London.
    Als dieser sich zögernd auf den Weg machte, sprenkelte sich die Scheibe leicht mit Regentropfen.
    »Englisches Wetter«, sagte Papa, der sehr munter war, denn er war nicht seekrank gewesen.
    Anna saß zusammengekauert in ihrer Abteilecke und beobachtete, wie die unbekannte dunkle Landschaft vorbeiglitt. Man konnte nichts richtig erkennen.
    Nach einer Weile wurde sie es müde hinauszustarren und betrachtete statt dessen verstohlen die beiden Männer, die ihr gegenüber saßen. Es waren Engländer. Im Gepäcknetz über ihren Köpfen lagen zwei schwarze, melonenförmige Hüte, wie sie sie selten gesehen hatte, und die beiden saßen sehr aufrecht und lasen ihre Zeitung. Obgleich sie zusammen eingestiegen waren, sprachen sie nicht miteinander. Die Engländer schienen ein sehr stilles Volk zu sein.
    Der Zug verlangsamte seine Fahrt und blieb zum zigsten Mal an einer kleinen schlechtbeleuchteten Station stehen.
    »Wo sind wir?« fragte Mama.
    Anna buchstabierte den Namen auf einem erleuchteten Schild. »Bovril«, sagte sie.
    »Das kann nicht sein«, sagte Max, »der letzte Ort, an dem wir gehalten haben, hieß auch Bovril.«
    Mama, die immer noch blaß von der Überfahrt war, schaute selber nach.
    »Das ist eine Reklame«, sagte sie. »Bovril ist irgendein englisches Nahrungsmittel. Ich glaube, man ißt es mit gekochtem Obst.«
    Der Zug kroch weiter durch die Dunkelheit, und Anna wurde schläfrig. Irgendwie kamen ihr die Umstände bekannt vor, - ihre Müdigkeit, das Rattern der Eisenbahnräder und der Regen, der gegen die Scheiben klatschte. Es war alles schon einmal so gewesen, vor sehr langer Zeit. Bevor sie sich genau erinnern konnte, schlief sie ein.
    Als sie aufwachte, fuhr der Zug schneller, und Lichter huschten an den Fenstern vorüber. Sie blickte hinaus und sah nasse Straßen und Straßenlaternen und kleine Häuser, die alle gleich aussahen.
    »Wir nähern uns London«, sagte Mama.
    Die Straßen wurden breiter und die Gebäude größer und verschiedenartiger, und plötzlich änderte sich das Geräusch der Räder, und sie waren auf einer Brücke über einem breiten Fluß. »Die Themse«, rief Papa.
    Der Fluß war auf beiden Seiten von Lichtern gesäumt, und Anna konnte Autos und einen roten Bus unter der Brücke herkriechen sehen. Dann waren sie hinüber, hatten den Fluß hinter sich gelassen, und als ob eine Schachtel über den Zug geklappt worden wäre, waren sie plötzlich von der Helligkeit eines Bahnhofs umgeben mit Bahnsteigen und Gepäckträgern und Menschenmassen, die plötzlich von allen Seiten heranströmten. Sie waren angekommen.
    Anna stieg aus, und dann standen sie auf dem kühlen Bahnsteig und warteten auf Mamas Vetter Otto, der sie abholen sollte. Rings um sie waren

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